[Articles] Die Soziale Arbeit im Spiegel des kantonalen Sozialhilferechts

Pascal Coullery und Dominik Grob

Zusammenfassung
Der Artikel dreht sich um die Frage, welche Bedeutung und Rolle die kantonalen Sozialhilfegesetze der professionellen Sozialen Arbeit im Vollzug der Sozialhilfe zuschreiben. Die Analyse zeigt, dass die Soziale Arbeit sowohl in der Struktur (Organisation, Qualifikation des Personals) wie im Verfahren der Sozialhilfe (Entscheidkompetenzen) rechtlich schwach verankert ist. Der Zugang zu professioneller Sozialer Arbeit ist föderalistisch derart unterschiedlich geprägt, dass sich die Frage stellt, inwieweit diese Heterogenität im Bereich existenzsichernder Leistungen sozialpolitisch tolerierbar ist.

Schlüsselwörter: Sozialhilfe, Soziale Arbeit, Recht, Föderalismus, Zugang

How do the cantonal social welfare laws reflect the position of professional social work?

Summary
The article deals with the question of what significance and role the cantonal social assistance laws ascribe to professional social work in the implementation of social assistance. The analysis shows that social work is legally weakly embedded both in the structure (organisation, qualification of personnel) and in the procedure of social welfare (decision-making powers). Access to professional social work is characterised by such federal differences that the question arises as to what extent this heterogeneity is tolerable in terms of social policy in the area of existential welfare provision.

Keywords: social assistance, social work, law, federalism, access

1 Einleitung und Fragestellung

Im Verhältnis von Sozialer Arbeit und Recht dominiert in der Literatur ein Blickwinkel, der das Recht im Allgemeinen, das Sozialhilferecht im Besonderen als Gegenstand und Instrument der Sozialen Arbeit betrachtet, dem eine dienende Funktion zukommt: «Das Recht hat der Sozialen Arbeit, das heisst der Durchsetzung ihrer Ziele, ihrer Werte und ihrer Fachlichkeit zu dienen» (Schleicher, 2021, S. 21). Auch die verbreitete Qualifizierung des Rechts als Bezugswissenschaft der Sozialen Arbeit impliziert, dass sich die Soziale Arbeit rechtlicher Wissensbestände bedient, um eigenständige Frage- und Problemstellungen der

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Disziplin Soziale Arbeit einer Lösung zuzuführen (vgl. hierzu Zdunek, 2021). In dieser Logik erscheint die Soziale Arbeit als Profession, die Menschen befähigen will, sich aus sozialen Problemlagen zu befreien, und die entlang ihres Tripelmandats das (Sozialhilfe-)Recht als «zentrales, durchaus bewegliches Instrument» (Wizent, 2023, Rz. 603) zugunsten derjenigen Mitglieder der Gesellschaft einsetzt, die mit Problemen zu kämpfen haben. Auch wenn dieser Blick auf das Recht im Kern nicht bestritten wird: Die Qualität der sozialarbeiterischen Problemlösung wird nicht zuletzt auch davon abhängen, was das Recht als Instrument der Sozialen Arbeit im Einzelfall zulässt oder nicht zulässt. Daher soll nun eine andere Perspektive, ein ergänzender Blickwinkel auf das Verhältnis von Recht und Sozialer Arbeit eingenommen werden: nicht das Recht als Gegenstand der Sozialen Arbeit, sondern die Soziale Arbeit als Gegenstand des Rechts soll betrachtet werden. Wie wird Soziale Arbeit im geltenden Sozialhilferecht rezipiert? Welches Bild und welches Verständnis der Sozialen Arbeit transportiert das Sozialhilferecht? Welche Rolle schreibt der (historische) Gesetzgeber der Sozialen Arbeit im institutionellen Umfeld der Sozialhilfe zu? Das Erkenntnisinteresse liegt auf der Hand: Das Verständnis der Sozialen Arbeit, wie es die Rechtsetzung prägt, beeinflusst die Anwendung eben dieses gesetzten Rechts durch die Soziale Arbeit. Im Folgenden soll deshalb nach einem kurzen Blick in die Entstehungsgeschichte des Sozialhilferechts (Ziffer 2) insbesondere vertiefter dargestellt werden, welche Bedeutung und Rolle die kantonalen Gesetzgebungen einer professionellen Sozialen Arbeit im Vollzug der Sozialhilfe auf der Struktur- und auf der Verfahrensebene zuschreiben (Ziffer 3 und 4) und welche grundsätzlichen Tendenzen in der Rezeption der Sozialen Arbeit im positiven Recht festgestellt werden können (Ziffer 5). Nach Ausführungen, inwieweit die festgestellte Rollenzuschreibung verfassungsrechtlich problematisch sein kann (Ziffer 6), werden Schlussfolgerungen zum Verhältnis von Sozialer Arbeit und Sozialhilferecht den Beitrag abrunden (Ziffer 7).

2 Die Soziale Arbeit als Gegenstand des Rechts: ein kurzer Blick in die Rechtsgeschichte

Das moderne Sozialhilferecht ist seit der Entstehung des schweizerischen Bundesstaates im Jahre 1848 aus einer polizeilich-repressiv geprägten kantonalen Armengesetzgebung hervorgegangen. Das gesetzgeberische Ziel bestand bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in erster Linie darin, im öffentlichen Interesse (Ruhe und Ordnung, Schutz von Staatsmitteln) sichtbare Armut zu verhindern. Während lediglich minimalste Leistungen vorgesehen waren, auf die kein Rechtsanspruch bestand, waren die staatlichen Massnahmen vom Stimmrechtsausschluss bis zur präventiven Anstaltseinweisung von Personen wegen

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bloss drohender Unterstützungsbedürftigkeit ebenso breit gefächert wie die auslösenden Ursachen, die undifferenziert die verschiedensten sozialen Problemlagen (wie Armut, Sucht, Obdachlosigkeit oder kognitive Einschränkungen) umfassten (Coullery, 2021, S. 75f.). Auf eidgenössischer Ebene ergänzte 1912 das Vormundschaftsrecht des Zivilgesetzbuches das kantonale Eingriffsdispositiv, indem insbesondere die Entmündigung als Folge von «geistiger» oder «moralischer Unfähigkeit» schweizweit einheitlich geregelt wurde, allerdings – in Abgrenzung zum kantonalen Armenrecht – ohne eine materielle Unterstützung vorzusehen (Tuor & Schnyder, 1986, S. 356ff.).
Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde der hauptsächlich polizeiliche Ansatz zunehmend überwunden und Konzepte der Sozialen Arbeit, die damals allmählich Fuss fassten und die Einzelfallhilfe hilfsbedürftiger Personen in den Mittelpunkt rückten (Schaller Schenk, 2016, S. 30), schrittweise in die kantonale Gesetzgebung integriert: bis ungefähr in die 1970er Jahre hinein noch zaghaft in Form einer paternalistisch geprägten Beratung und Betreuung, danach zunehmend als persönliche Hilfe, die als sozialarbeiterischer Fachbeistand definiert wurde, ohne dass die Soziale Arbeit als Disziplin in den gesetzlichen Grundlagen jedoch explizit erwähnt worden wäre (vgl. Hunziker, 1971, S. 6ff.; Coullery, 2021, S. 76ff.). Gegen Ende des 20. Jahrhundert setzte eine Entwicklung ein, die vereinzelt zur expliziten Aufnahme der Sozialen Arbeit in kantonale Sozialhilfegesetzgebungen führen sollte. Diese Entwicklung in Richtung einer Professionalisierung der Strukturen und Prozesse ist – wie in Ziffer 3 und 4 aufgezeigt wird – auf der Ebene der kantonalen Sozialhilfegesetzgebung allerdings nach wie vor nicht abgeschlossen.

3 Die Soziale Arbeit in den kantonalen Strukturen der Sozialhilfe

Obwohl in vielen Kantonsverfassungen die Sozialhilfe als Verbundaufgabe von Kantonen und Gemeinden definiert wird, schreiben auf Gesetzesebene 21 Kantone die Sozialhilfe als Aufgabe prioritär den Gemeinden zu. Konsequenterweise werden die Vollzugsstrukturen der Sozialhilfe als Folge der Gemeindeautonomie (Art. 50 BV) und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz (Art. 43a Abs. 2 BV) vom kantonalen Gesetzgeber nicht zwingend abschliessend vorgeschrieben, sodass den Gemeinden ein beachtlicher Gestaltungsspielraum verbleiben kann. Kantonalrechtliche Vorgaben zur Vollzugsstruktur mit einem Bezug zur Sozialen Arbeit hängen vom Grundsatzentscheid der gesetzgebenden Instanz ab, ob ein Sozialdienst als organisatorische Einheit errichtet werden soll (Ziffer 3.1), und wenn ja, wie dieser Sozialdienst qualitativ (Ausbildung des Personals; Ziffer 3.2) und quantitativ mit Personal- und/oder Finanzressourcen (Ziffer 3.3) ausgestattet wird.

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3.1 Organisation

Von den 21 Kantonen, in denen die Gemeinden für die Sozialhilfe zuständig erklärt werden, schreiben 14 Kantone einen Sozialdienst gesetzlich als Vollzugsstruktur vor. In sieben Kantonen (Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Nidwalden, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau und Zürich) hingegen fällt die Definition der Vollzugsstrukturen vollständig in den Autonomiebereich der Gemeinden, d. h. die Sozialhilfegesetzgebung enthält keinerlei organisatorische Vorschriften für die Gemeinden. Solche schier grenzenlose kommunale Autonomie kann dazu führen, dass der Zugang zu einem Sozialdienst – und damit vermutungsweise zu professioneller Sozialarbeit – innerhalb eines Kantons je nach Gemeinde garantiert oder eben nicht garantiert ist: Im Kanton Basel-Landschaft etwa führen alle Unterbaselbietergemeinden einen Sozialdienst, die meisten Oberbaselbietergemeinden hingegen nicht (persönliche Mitteilung des Verbandes für Sozialhilfe Basel-Landschaft VSO vom 13. Februar 2024). Innerhalb des gleichen Kantons kann der Erstkontakt zwischen Personen, die Sozialhilfe beantragen wollen, und der Gemeinde daher entweder über einen professionellen Sozialdienst oder über das Verwaltungspersonal der Einwohnergemeinde erfolgen, das den Fall aufnimmt und für die konkrete Fallarbeit und die Entscheidfindung an die Mitglieder einer Sozialbehörde weiterleitet, die politisch zusammengesetzt ist.
Ein Blick in die Materialien zeigt, dass in den Kantonen ohne Vorgaben zur Vollzugsstruktur der Gemeinden auch bei jüngeren Gesetzen die unbeschränkte Gemeindeautonomie vom historischen Gesetzgeber nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird: 2013 schlägt die Regierung im Kanton Schaffhausen vor, «auf die Bestellung einer separaten Sozialbehörde neu grundsätzlich» zu verzichten, womit die Organisationsautonomie der Gemeinden gar noch vergrössert wird (Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, 2013, S. 10), ein Jahr später beantragt der Nidwaldner Regierungsrat dem kantonalen Parlament ohne weitere Begründung, die bisherige Organisation in der Sozialhilfe weiterzuführen (Regierungsrat des Kantons Nidwalden, 2014, S. 18).

3.2 Qualifikation des Personals

Zu Beginn des Jahres 2024 finden sich lediglich in den rechtlichen Grundlagen der fünf Kantone Bern, Freiburg, Neuchâtel, Solothurn und Luzern Bestimmungen, die explizit eine abgeschlossene Ausbildung in Sozialer Arbeit oder Sozialpädagogik einfordern, um die Sozialhilfe zu vollziehen. In den meisten Kantonen sind allenfalls generisch formulierte Anforderungen positivrechtlich verankert, dass etwa «fachlich geeignetes» oder «ausgebildetes» Personal eingesetzt werden muss, in einzelnen Kantonen gelten diese Anforderungen

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auch nur für ausgewählte Leistungsbereiche (wie die persönliche Hilfe oder die Einkommensverwaltung), noch andere Kantone wählen eine outputorientierte Formulierung, indem die Beratungs- oder die Sozialhilfeleistung als Endprodukt «fachgerecht» sein soll. Sieben Kantone verankern überhaupt keine gesetzlichen Anforderungen, was sich wohl zum Teil damit erklären lässt, dass diejenigen Kantone, die die Sozialhilfe nicht kommunal, sondern innerhalb der eigenen kantonalen Zentralverwaltung vollziehen, darauf verzichten, Ausbildungserfordernisse für das Vollzugspersonal in spezifischen Aufgabenbereichen zu formulieren.
Die Entstehungsgeschichte einzelner kantonaler Gesetze lässt einen klaren Zusammenhang zwischen der Forderung nach Professionalität in den Vollzugsstrukturen und den finanziellen Folgekosten erkennen: So hatte der Aargauer Regierungsrat in seinem Gesetzesentwurf von 1999 vorgeschlagen, die Gemeinden zur Führung eines «fachlich qualifizierten» Sozialdienstes zu verpflichten (Regierungsrat des Kantons Aargau, 1999, S. 34), allerdings ist der Zusatz «fachlich qualifiziert» in der parlamentarischen Beratung aus finanziellen Gründen auf den Widerstand der Gemeinden gestossen und gestrichen worden. Fast zeitgleich hat die Berner Regierung im Jahr 2001 eine noch ausgeprägtere Professionalisierung der Sozialhilfestrukturen vorgeschlagen, die «angesichts der immer komplexer werdenden Verhältnisse unerlässlich» sei und «zu einer Steigerung der Qualität der Dienstleistungen und letztlich zu Kosteneinsparungen führen» soll (Regierungsrat des Kantons Bern, 2001, S. 12). Seinen Vorschlag konnte der Regierungsrat im Grossen Rat durchsetzen, vermutlich auch, weil die Folgekosten der Professionalisierung im Kanton Bern über den Lastenausgleich zur Hälfte vom Kanton und zur Hälfte von der Gesamtheit der Gemeinden getragen werden. Die Vermutung liegt nahe: die politische Bewertung der Professionalisierung im Sozialhilfevollzug dürfte nicht zuletzt von den Mehrkosten abhängen, die bereits kurzfristig für die Gemeinden anfallen, mit anderen Worten davon, wie solidarisch die Mehrkosten vom Kanton und/oder den anderen Gemeinden mitgetragen werden.

3.3 Quantitative Personalressourcen

Nur vereinzelt verankern Kantone in ihren rechtlichen Grundlagen quantitative Vorgaben für die Ressourcen der Sozialdienste. Dies geschieht in unterschiedlicher Art und Weise, etwa indem Sozialdienste eine Mindestgrösse aufweisen müssen, was bei kleinen Gemeinden zwingend zu Zusammenschlüssen führt: Im Kanton Freiburg müssen Sozialdienste mindestens 50 Stellenprozente umfassen (allerdings kann auf Gesuch davon abgewichen werden), im Kanton Solothurn können die Verwaltungskosten der Sozialregionen nur in

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den Lastenausgleich eingebracht werden, wenn der Sozialdienst und die Sozialadministration mit mindestens 250 Stellenprozenten geführt werden. Im Kanton Bern sind es mindestens 150 Stellenprozente, von welchen in gesetzlich definierten Ausnahmefällen ebenfalls abgewichen werden kann. Weiter nimmt der Kanton Bern über Fallpauschalen, welche in den Lastenausgleich eingegeben werden, Einfluss auf die quantitativen Personalressourcen. Einen anderen Weg wählt der Kanton Neuchâtel, der auf Verordnungsebene Vorgaben verankert, welche an Fallzahlen bzw. Dossiers angebunden sind. So wird eine Vollzeitstelle, als zuständig für 100 Dossiers der wirtschaftlichen Sozialhilfe und für weitere zehn Dossiers, welche nicht mit materieller Hilfe verbunden sind, definiert, wobei Schwankungen von 20 Prozent in beide Richtungen toleriert werden. Auffällig ist, dass allein im Kanton Neuenburg quantitative Vorgaben mit der Anzahl der Sozialhilfedossiers verknüpft werden. Dies erstaunt insofern, als die sogenannte «Winterthurer-Studie» über die Senkung der Falllast von 120 Dossiers auf 80 Dossiers bei einer Vollzeitstelle aufzeigt, dass diese Massnahme zu tieferen Fallkosten, häufigeren Ablösungen aus der Sozialhilfe und einer verbesserten Erwerbsintegration führt und insgesamt – bei gleichzeitig gestiegenen Personalkosten – Einsparnisse gemacht werden können (Höglinger et al., 2021, S. V ff.). Vor dem Hintergrund dieser Forschungsergebnisse kann also angenommen werden, dass zwischen quantitativen Personalressourcen der Sozialdienste und der Qualität der Dienstleistungen der Sozialdienste Zusammenhänge bestehen. Allerdings bildet sich dies bisher nur in den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn und Neuenburg auch im materiellen Recht ab.

3.4 Zwischenfazit: Schwache rechtliche Verankerung der Professionalisierung

In einem Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass kantonalrechtlich kaum Vorgaben an die Vollzugsstrukturen der Sozialhilfe formuliert werden und die Vollzugsstrukturen zum Teil vom Gesetzgeber auch nicht ganzheitlich gedacht erscheinen: so fordert die Gesetzgebung des Kantons Basel-Landschaft eine «fachgerechte Beratung» der Klientinnen und Klienten durch die Gemeinden ein, allerdings ohne Vorgaben an die kommunale Vollzugsstruktur zu richten, die im Einzelfall aus einer politisch zusammengesetzten Kommission bestehen kann. Dies schliesst eine fachgerechte Beratung freilich nicht aus, erschwert sie aber allemal.
Auch wenn eingewendet werden mag, dass sich professionelle Sozialdienste auch in Kantonen durchsetzen können, die keine entsprechende gesetzliche Verpflichtung kennen (wie die Sozialdienste in den Grossstädten Basel und Zürich zeigen), so bleibt es beim Fakt, dass der Zugang zu professionellen Sozialdiensten heute nicht schweizweit garantiert ist.

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4 Die Soziale Arbeit in den kantonalen Verfahren der Sozialhilfe

Die föderalistische Vielfalt der Sozialhilfe zeigt sich, wie in Ziffer 3 beschrieben, zum einen in den kantonal höchst unterschiedlich ausdifferenzierten Vollzugsstrukturen, indem manche Kantone professionelle Sozialdienste vorschreiben, während in anderen kantonalen Sozialhilfegesetzen das Wort «Sozialdienst» gar nicht vorkommt. Zum anderen stellt sich aber auch die Frage, welche Rolle einem Sozialdienst in einem sozialhilferechtlichen Verfahren von Gesetzes wegen zugeschrieben wird. Das kantonale Recht hält auch hier eine föderalistisch geprägte Vielfalt bereit, die in einer vereinfachenden Typisierung auf vier Grundmodelle zurückgeführt werden kann:

4.1 Der Sozialdienst als verbindliche Entscheidinstanz

Drei Kantone (Bern, Uri und Vaud) haben die Entscheidkompetenz über die Einzelfallhilfe von Gesetzes wegen, ein Kanton (Obwalden) statutarisch an professionelle Sozialdienste übertragen. In diesen Kantonen wird eine klare Trennung zwischen der operativen Aufgabe, die der Vollzug der individuellen Sozialhilfe durch einen Sozialdienst darstellt, und strategischen Aufgaben, die nach wie vor einer politischen Behörde anvertraut werden, vollzogen. In historischer Hinsicht kann vermutet werden, dass die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden, eine Sozialbehörde einzusetzen, als Kompensation des Bedeutungsverlustes zu verstehen ist, die politische Instanzen durch die Professionalisierung der Sozialhilfe erfahren haben (Steger & Coullery, 2020, S. 6): Im Kanton Bern etwa waren in der Geltungszeit des Fürsorgegesetzes von 1961, das bis zum 31. Dezember 2001 in Kraft war, in allen Gemeinden eine politische Behörde (der Gemeinderat oder eine spezielle Fürsorgekommission) zuständig, über Sozialhilfeleistungen im Einzelfall zu entscheiden. Im Zuge der Professionalisierung, die das Berner Sozialhilfegesetz von 2001 mit sich gebracht hat, wurde die Entscheidkompetenz über die Einzelfallhilfe zwar konsequent von diesen politischen Behörden an professionelle Sozialdienste übertragen, im Gegenzug hat der Gesetzgeber die Gemeinden aber verpflichtet, eine Sozialbehörde zu bezeichnen, die im Sozialbereich für Strategie- und Controllingaufgaben sowie für die Aufsicht über die Sozialdienste zuständig sein soll.

4.2 Der Sozialdienst als optionale Entscheidinstanz

Die Gemeinden sind verpflichtet, einen Sozialdienst zu führen (oder sich einem solchen anzuschliessen), primär mit dem Vollzug der Sozialhilfe betraut sind aber die Gemeindeexekutive oder eine Sozialhilfebehörde, sofern die Gemeinde den Vollzug der Sozialhilfe nicht an eine andere Behörde, wie typischerweise einen Sozialdienst, delegiert hat. Diesem Grundmodell lassen sich die sechs

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Kantone Aargau, Appenzell-Ausserrhoden, Luzern, Wallis, Schwyz und Zug zuordnen. In logischer Konsequenz führt dieses optionale Modell dazu, dass über Anträge von bedürftigen Personen innerhalb des gleichen Kantons je nach Wohngemeinde mal eine politische, mal eine fachliche Instanz entscheidet: So hat im Kanton Appenzell-Ausserrhoden exakt die Hälfte der Gemeinden die Verfügungskompetenz an einen Sozialdienst delegiert, während in der anderen Hälfte der 20 Gemeinden der Gemeinderat oder eine Sozialhilfekommission Verfügungen erlässt (persönliche Mitteilung des Kantonalen Amtes für Soziales vom 20. Februar 2024).

4.3 Der Sozialdienst als Instruktionsinstanz

In vier Kantonen (Freiburg, Graubünden, Neuenburg und Solothurn) sind die Gemeinden zwar verpflichtet, einen Sozialdienst zu führen, diesem wird aber eine ausschliesslich vorbereitende Rolle ohne Entscheidbefugnis zugewiesen. Verfügungskompetent ist eine nicht-fachliche Behörde unterschiedlicher Zusammensetzung. Gemeinsam haben diese vier Kantone, dass die Sozialhilfe regional ausgerichtet wird, wobei zu unterscheiden ist, ob die Regionalität explizit vorgeschrieben wird, oder ob die strukturellen Vorgaben Anreize setzen, dass die Sozialhilfe regional anstatt kommunal vollzogen wird. Im Kanton Solothurn war die regionale Ausrichtung der Sozialhilfe vom historischen Gesetzgeber als Professionalisierungsschritt angedacht. So begründet der Solothurner Regierungsrat in seiner Botschaft aus dem Jahr 2005 zum Sozialgesetz seinen Vorschlag, Sozialregionen zu bilden, mit der notwendigen Professionalisierung der kantonalen Strukturen. Die Schaffung von Sozialregionen und regionalen Sozialdiensten ist mit qualitativen und quantitativen Vorgaben für das Personal verbunden (vgl. hierzu Ziffer 3.2 und 3.3). Damit sollen die Voraussetzungen für einen professionellen Vollzug geschaffen werden, der den bisher möglichen «Einpersonen-Betrieb» (so der Regierungsrat des Kanton Solothurns, 2005, S. 50) ablösen soll. Der Regierungsrat räumt ein, dass dadurch die Kosten der Sozialadministration steigen könnten, geht aber davon aus, dass die Gesamtkosten der Unterstützungsleistungen sinken werden, da der Vollzug der Massnahmen in professioneller Art und Weise geschieht (Regierungsrat des Kantons Solothurn, 2005, S. 49f.). Dementsprechend ist neben der Professionalisierung eine längerfristige Gesamtkostensenkung als Argument auszumachen. Allerdings überträgt der Gesetzgeber den Sozialdiensten im Rahmen dieser Professionalisierung keine Entscheidkompetenz, wofür sich in den Materialien des Kantons Solothurn keine Begründung finden lässt. So kann abschliessend lediglich festgehalten werden, dass der kantonale Gesetzgeber von einem Verständnis der Professionalisierung ausgeht, das aus Sicht der

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Sozialen Arbeit eindeutig zu kurz greift, werden Sozialarbeitende doch gerade auch darin geschult, Entscheidprozesse in der gesetzlichen Sozialhilfe durchzuführen und abzuschliessen. Weshalb eine Entscheidfindung durch Professionelle der Sozialen Arbeit im Kanton Solothurn, aber auch in den anderen Kantonen, die einen Sozialdienst lediglich als Instruktionsinstanz vorsehen, bewusst abgelehnt wird, müsste durch eine Detailanalyse der Materialien (etwa unter Einbezug der vorberatenden Kommissionen) untersucht werden, die im Rahmen dieses Fachartikels nicht geleistet werden kann.

4.4 Der Sozialdienst als fakultative Instanz

In den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Nidwalden, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau und Zürich, in denen das Einrichten und Führen von Sozialdiensten durch die Gemeinden gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist, gibt es folgerichtig auch keine zwingenden Vollzugskompetenzen für Sozialdienste im Verfügungserlassverfahren.

5 Die Soziale Arbeit im geltenden Recht: prägende Tendenzen

Das für die Sozialhilfe typische Individualisierungsprinzip, wonach die u. a. wirtschaftlichen, persönlichen und familiären Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, prägt das Sozialhilferecht stark, weil generalisierenden Ansätzen Grenzen gesetzt sind und die gesetzgebenden Instanzen vielfach mit offenen Gesetzesbegriffen und Entschliessungsermessen operieren. Diese eröffnen den Entscheidinstanzen auf der Tatbestandsebene Beurteilungs- und in der Rechtsfolge Ermessensspielräume. Diese Offenheit im Vollzug ist weitgehend systemimmanent, in kantonalen Gesetzgebungsprozessen ist allerdings die Tendenz feststellbar, den Spielraum von Sozialarbeitenden, in welcher Rolle sie auch tätig sein mögen, zunehmend einzuschränken und so auch die Fachlichkeit der Sozialen Arbeit im Vollzug des Sozialhilferechts nicht zuzulassen bzw. zurückzudrängen. Diese Entwicklung lässt sich zur Hauptsache in zwei zentralen gesetzgeberischen Tendenzen der letzten Jahre nachzeichnen und erkennen:

5.1 Tendenzen zur Verrechtlichung

Ohne die breite rechtssoziologische Debatte, die seit Jahrzehnten zu Schlagworten wie Gesetzes- oder Normenflut geführt wird, an dieser Stelle eingehend aufzurollen, kann der (sperrige) Begriff der Verrechtlichung allgemein als Prozess verstanden werden, der «nicht formulierte Regeln durch formulierte Regeln ersetzt» (Zacher, 1984, S. 55 m. w. H.). Dieser Prozess der Positivierung bewirkt eine «Verengung administrativer Handlungsspielräume» (Müller, 2019, S. 18),

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die im Kontext der Sozialhilfe mit ihren zahlreichen Ermessens- und Beurteilungsspielräumen im operativen Vollzug typischerweise von Sozialarbeitenden wahrgenommen werden sollten. Um Tendenzen einer so verstandenen Verrechtlichung in der kantonalen Sozialhilfegesetzgebung festzumachen, ist neben einer rein quantitativen Dimension (als Normenzuwachs im positiven Recht) auch eine qualitative Dimension in die Analyse einzubringen, die die Frage in den Mittelpunkt rückt, inwieweit die bewirkte Verengung des administrativen Handlungsspielraumes sachgemäss oder unsachgemäss ist:

  • Die quantitative Dimension der Verrechtlichung: Bereits 2008 hat ein Forschungsprojekt zum Sozialhilferecht als Verrechtlichungstendenz nachgewiesen, dass «neuere oder in neuerer Zeit totalrevidierte Gesetze (…) im Allgemeinen detaillierter [sind] als ältere» (Voll & Häfeli, 2008, S. 377). Im Rahmen dieses Fachartikels lassen sich nun nicht 26 kantonale Gesetzgebungen auf ihre quantitative Entwicklung in den letzten rund 20 Jahren rechtshistorisch untersuchen, um das Forschungsergebnis von 2008 aus heutiger Sicht neu zu beurteilen. Ein Blick in vereinzelte Erlasssammlungen scheint den vermuteten Normenzuwachs im Sozialhilferecht der Kantone allerdings zu bestätigen: So waren bei Inkrafttreten des Berner Sozialhilfegesetzes im Jahr 2002 unter dem Titel «Leistungsangebote der individuellen Sozialhilfe» insgesamt 52 Normen (36 im Gesetz, 16 in der Verordnung) zu finden, im Jahr 2024 sind es bereits 108 Normen (60 im Gesetz, 48 in der Verordnung), womit sich das Normenvolumen im Bereich der individuellen Sozialhilfe gesamthaft mehr als verdoppelt, auf Verordnungsebene gar verdreifacht hat. Ein noch eindrücklicheres Bild zeigt sich, wenn das Unterkapitel «Wirtschaftliche Hilfe» in den Blick genommen wird, das auf Verordnungsebene im Einführungszeitpunkt mit schlanken vier Artikeln und sechs Absätzen auskam, während im Jahr 2024 zum gleichen Regelungsgegenstand 29 Artikel mit 66 Absätzen in der Regierungsratsverordnung zu finden sind, die als Folge einer Subdelegation um weitere 13 Artikel mit 24 Absätzen auf Stufe Direktionsverordnung ergänzt werden.
  • Die qualitative Dimension der Verrechtlichung: Prägend für das schweizerische Sozialhilferecht ist das Spannungsfeld, das im Dreieck zwischen Legalitätsprinzip, Rechtsgleichheit und Individualisierungsprinzip besteht. Die spezifischen persönlichen, wirtschaftlichen oder familiären Gegebenheiten sollen im Einzelfall berücksichtigt werden (Individualisierungsprinzip), ohne faktisch gleich gelagerte Fälle
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    rechtlich unterschiedlich zu behandeln (Rechtsgleichheit), was eine Gesetzgebung voraussetzt, die ein subtiles Gleichgewicht zwischen offenen, individualisierenden und geschlossenen, typisierenden Normen zu wahren weiss und zugleich hinreichend bestimmt ist (Legalitätsprinzip). In diesem Dreiecksverhältnis ist ein Normenzuwachs nicht a priori negativ zu bewerten, sondern in seiner Wirkung differenziert zu betrachten. Eine flächendeckende Analyse und Bewertung der kantonalen sozialhilferechtlichen Normenzuwächse der letzten Jahre ist an dieser Stelle nicht zu leisten und muss als Forschungsdesiderat stehen bleiben. Beispielhaft kann zumindest das Verordnungsrecht des Kantons Bern zur wirtschaftlichen Sozialhilfe noch einmal kurz aufgegriffen werden, das in seinen insgesamt 42 Artikeln und 90 Absätzen zahlreiche Präzisierungen positivrechtlich verankert, die – unabhängig davon, ob sie die Rechtssicherheit mit leistungsseitigen Untergrenzen erhöhen oder nicht – den Spielraum von Sozialarbeitenden ohne Not einschränken, etwa wenn für Ersatzanschaffungen Maximalbeträge von «50 Franken pro Person für ein Kopfkissen inkl. Überzug» (Art. 13 Abs. 2 Bst. d SILDV) oder von «80 Franken für einen Staubsauger» (Art. 13 Abs. 2 Bst. k SILDV) festgehalten werden. Die Tendenz zu einer Überregulierung und Verrechtlichung auf Verordnungsebene zeigte sich 2018 auch in einem Revisionsentwurf der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, der in verschiedenen Bestimmungen starre, standardisierte Vorgaben vorsah, der jeglichen Spielraum ausgeschlossen hätte: beispielsweise waren «zu geringe Arbeitsbemühungen» zwingend anzunehmen, wenn jemand nach einem halben Jahr keine Arbeitsstelle oder keinen Ausbildungsplatz nachweisen konnte, oder die «schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung» eines Klienten oder einer Klientin war starr an einen bestimmten Grad der Arbeitsunfähigkeit gebunden (Art. 15 Abs. 1 Bst. a und b sowie Art. 17 Abs. 2 des Verordnungsentwurfes gemäss Vernehmlassungsvorlage). Da der Beweis des Gegenteils in diesen Verordnungsbestimmungen nicht vorgesehen ist, wird der gesetzlich verankerte Individualisierungsgrundsatz verletzt. Gleichzeitig wird der Handlungsspielraum von Sozialarbeitenden eingeschränkt, deren Ausbildung gerade darauf ausgerichtet ist, die Komplexität von Einzelfällen zu erfassen und angemessene Leistungen nach wissenschaftlichen Standards der Sozialen Arbeit zuzusprechen.

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5.2 Tendenzen zur Ökonomisierung: das Primat der Kosteneffizienz

Vor rund 20 Jahren hat eine Revision der SKOS-Richtlinien eine Neuausrichtung der Sozialhilfe eingeläutet, indem «die ursprünglich fast ausschliesslich bedarfsbezogene Berechnung der Sozialhilfe eine stark leistungsbezogene Ausrichtung erhalten hat» (Hänzi, 2011, S. 259). Seither ist die Tendenz festzustellen, Kostensteigerungen in der Sozialhilfe nicht (mehr) als in erster Linie logische Folge struktureller sozialer Problemlagen und/oder wirtschaftlicher oder arbeitsmarktlicher Rahmenbedingungen zu sehen, sondern als Ausfluss eines individuellen Fehlverhaltens (fehlende Bereitschaft zur beruflichen Integration) oder fehlender Effizienz insbesondere der Sozialdienste und damit der Sozialarbeitenden. Im Rahmen dieses Fachartikels lässt sich diese Tendenz nicht abschliessend belegen, sehr wohl lassen sich aber belastbare Indizien finden, die die Tendenz zur Ökonomisierung im Sozialhilferecht als Arbeitshypothese untermauern.
Ein erstes Indiz, das an dieser Stelle aufgeführt werden kann, sind die 16 (!) kantonalen Partial- oder Totalrevisionen, die seit 2005 Sozialinspektionen eingeführt haben, um insbesondere mit Blick auf einen möglichen Sozialhilfemissbrauch die Abklärungsinstrumente auszuweiten und vielfach insoweit auszulagern, als eigene, von den Sozialdiensten losgelöste Untersuchungseinheiten geschaffen werden. Begründet werden diese verschärften Abklärungsinstrumente in den Materialien u.a. mit der erwarteten Einsparung «erhebliche(r) öffentliche(r) Mittel» und mit einer generalpräventiven Wirkung (Regierungsrat des Kantons Bern, 2010, S. 10), die wohl darauf abzielt, potenzielle Antragstellerinnen und -steller davon abzuhalten, nicht die volle Transparenz über ihre wirtschaftliche Situation herzustellen, weil sie mit dem Einsatz der sozialdetektivischen Kavallerie rechnen müssen.
Ein weiteres (wenn auch nur anekdotisches) Indiz kann im Wandel des politischen Diskurses zur Sozialhilfe im Kanton Bern gesehen werden: während es im Jahr 2001 im Vortrag des Regierungsrates zum Sozialhilfegesetz noch hiess, dass «die konjunkturelle Lage einen erheblichen Einfluss auf die Anzahl Sozialhilfebezüger/-innen hat» und die «finanzielle Unterstützung (Gesamtkosten) (…) somit nur begrenzt steuerbar» ist (Regierungsrat des Kantons Bern, 2001, S. 10), schrieb der gleiche Berner Regierungsrat knapp 10 Jahre später, es sei «unbestritten, dass in der individuellen Sozialhilfe das Controlling verstärkt werden muss», was «primär mittels Vergleich der Kosteneffizienz der Sozialdienste erfolgen» soll (Regierungsrat/Kommission des Kantons Bern, 2010, S. 10). Konkret vorgeschlagen wurde dann ein Bonus-Malus-System, das effektive und kostenbewusste Sozialdienste honoriert, während Sozialdienste, deren Kosten auch unter Berücksichtigung von exogenen Faktoren nicht hinreichend

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erklärbar sind, sanktioniert werden (Regierungsrat & Kommission des Kantons Bern, 2010, S. 10). Die Priorisierung finanzieller Aspekte kommt im Kanton Bern auch – und nicht nur symbolisch – darin zum Ausdruck, dass die Anpassungen des Sozialhilfegesetzes im Rahmen einer Revision des kantonalen Finanz- und Lastenausgleichsgesetzes behandelt worden sind und daher auch eine finanz- und nicht sozialpolitisch geprägte Parlamentskommission das Geschäft vorberaten hat.

6 Verfassungskonformität nicht-professioneller Sozialhilfestrukturen und -verfahren

Die bisherigen Ausführungen weisen eine föderalistische Zufälligkeit in der Frage aus, ob eine fachlich qualifizierte Instanz überhaupt besteht und dann auch entscheidet oder nicht, wobei die reine Normenanalyse auf einen tiefen Professionalisierungsgrad schliessen lässt. Diese kantonalen Vollzugsstrukturen und -verfahren müssen nicht zwingend rechtlich problematisch sein, erhöhen aber das Risiko, dass im Einzelfall übergeordnete Verfassungsprinzipien, wie das Willkürverbot, das Rechtsgleichheitsgebot oder das Verhältnismässigkeitsprinzip, verletzt werden.

6.1 Willkürverbot (Art. 9 BV)

Das Willkürverbot bindet als allgemeines Prinzip alle staatlichen Instanzen und ist in der Rechtsanwendung – etwa bei der Ausübung von Ermessen, dem in der Sozialhilfe als Folge des Individualisierungsprinzips eine qualifizierte Bedeutung zukommt – insbesondere dann verletzt, wenn ein Entscheid sich auf keine sachlichen Gründe stützt, offensichtlich unhaltbar, klar ungerecht oder bloss schikanös ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder gegen unumstrittene höherrangige Normen oder Rechtsgrundsätze verstösst (Mosimann et al., 2017, S. 249; Kiener et al., 2018, S. 414). Um in diesem Sinne Willkür anzunehmen, reicht der objektive Gehalt einer Anordnung aus, während die Motive der entscheidenden Behörde im Unterschied zur früheren Rechtsprechung keine Rolle spielen, sodass die Willkür ausschliesslich im defizitären Ergebnis liegt (Tschentscher, 2015, Rz. 9). Die jahrzehntelange Erfahrung im Vormundschaftsrecht zeigt klar: Bei Laienbehörden besteht das Risiko, dass Behördenmitglieder in heiklen Entscheidungssituationen die eigene Biografie als Massstab für andere verwenden, so nicht von persönlichen und daher subjektiven Erlebnissen abstrahieren können, was zu Verallgemeinerungen oder unzulässigen Parallelschlüssen führen kann (Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden, 2008, S. 107). Fliessen in einen Entscheid Gesichtspunkte ein, die objektiv keine Rolle spielen dürfen, so kann ein Entscheid im

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Einzelfall in solch hohem Grad sachfremd ausfallen, der das Willkürverbot als verletzt erscheinen lässt.

6.2 Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV)

Die Rechtsgleichheit kann zwar nicht angerufen werden, wenn verschiedene Kantone oder Gemeinden im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten identische Sachverhalte unterschiedlich behandeln (Kiener et al., 2018, S. 426 m. w. H.). Zumindest ist dieselbe Behörde (ob Sozialdienst oder Sozialbehörde) aber gehalten, Sozialhilfekonstellationen, die faktisch gleich gelagert sind, auch rechtlich gleich zu behandeln, sofern keine sachlichen Gründe für eine Differenzierung vorliegen. Der Rückgriff auf subjektive Erfahrungen von Behördenmitgliedern, der beim Willkürverbot als Risikofaktor identifiziert worden ist, ist in gleichem Masse geeignet, das Rechtsgleichheitsgebot im Einzelfall zu gefährden.

6.3 Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV)

Gerade in einem grundrechtssensiblen Rechtsbereich, der den rechtsanwendenden Instanzen systembedingt zahlreiche Beurteilungs- und Ermessensspielräume zugesteht, kommt einer konsequenten Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips mit seinen Teilgehalten der Geeignetheit (Zielkonformität), der Erforderlichkeit (Notwendigkeit) und der Zumutbarkeit (vernünftige Zweck-Mittel-Relation) eine überragende Bedeutung zu, um eine rechtsstaatlich korrekte und grundrechtskonforme Umsetzung des Sozialhilferechts zu garantieren. Im konkreten Einzelfall ist von den rechtsanwendenden Instanzen die komplexe Aufgabe zu bewältigen, nicht nur die massgebenden Normen des Sozialhilferechts anzuwenden, sondern gleichzeitig die individuellen Umstände in eine konsequente Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und seiner drei Teilgehalte einfliessen zu lassen – eine Aufgabe, von der die Lehre annimmt, dass sie «zu Überforderung führen kann», und zwar auch in den professionellen Strukturen der Exekutive und der Judikative (vgl. hierzu Hofstetter, 2019, S. 88). Es kann damit zwanglos unterstellt werden, dass die komplexe Aufgabe, das Verhältnismässigkeitsprinzip seiner Bedeutung entsprechend im Sozialhilferecht anzuwenden, in nicht-professionellen Strukturen nicht einfacher wird.

6.4 Minimale Struktur- und Verfahrenserfordernisse aus Grundrechten

Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen des Staates fliesst aus verschiedenen Grundrechtsgarantien der Bundesverfassung, wie etwa der Schutz der Menschenwürde (Art. 7 BV), die Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) oder das Recht auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV; Coullery, 2019, Rz. 4ff.). Aus solchen

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materiellen Grundrechtsgarantien und aus dem verfassungsrechtlich verankerten Postulat, wonach die Grundrechte in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen müssen und alle Instanzen, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, binden (Art. 35 Abs. 1 und 2 BV), werden in der Lehre zunehmend auch implizite Verwirklichungsaufträge abgeleitet, die staatliche Umsetzungsstrukturen und -verfahren adressieren (Coullery & Studer, 2024, S. 305 ff. m. w. H.). In der Sozialhilfe bedeutet dies konkret: Sozialhilfestrukturen und -verfahren sind kantonalrechtlich so auszugestalten, dass der verfassungsrechtliche Anspruch auf existenzsichernde Leistungen von bedürftigen Personen möglichst eingelöst und nicht durch Mobilisierungshindernisse in der Struktur oder im Verfahren vereitelt wird. Verdichtet sich dieser Ansatz zu einer herrschenden Lehrmeinung, der auch das Bundesgericht folgt, dürften sich verschiedene Ausprägungen der kantonalen Sozialhilfestrukturen und -verfahren als nicht (mehr) verfassungskonform herausstellen.

7 Schlussfolgerungen und Ausblick

Ein Einstieg in eine zusammenfassende Würdigung der Rolle und der Bedeutung, die das heutige Sozialhilferecht der Sozialen Arbeit zuschreibt, kann nahtlos an die Feststellung von Wizent anknüpfen, dass die Soziale Arbeit «in der schweizerischen Sozialhilfe noch nicht den Stellenwert (hat), den sie im modernen Sozialstaat verdient» (Wizent, 2023, Rz. 602).
Dieser fehlende Stellenwert ist zum einen auf einer professionspolitischen Ebene zu beleuchten. Die beschriebenen Tendenzen der Verrechtlichung und der Ökonomisierung in der Rezeption der Sozialen Arbeit im Sozialhilferecht lassen die Hypothese plausibel erscheinen, dass in der Politik ein Misstrauen gegenüber Sozialarbeitenden besteht, das auf unausgesprochenen Vorurteilen beruht. Diesen Bildern gilt es faktenbasiert entgegenzutreten, und zwar auch deshalb, weil der fehlende Stellenwert der Sozialen Arbeit sich auch unmittelbar sozialpolitisch auswirkt: In der heutigen föderalistischen Sozialhilfelandschaft ist es vom Wohnort abhängig, ob es einen Zugang zu einem professionellen Sozialdienst gibt und ob auch ein professioneller Sozialdienst oder eine politische Behörde über eine Leistung der Sozialhilfe entscheidet. Auch wenn es formalrechtlich mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar ist, dass in Nachbarsgemeinden höchst unterschiedliche Sozialhilfestrukturen und -verfahren bestehen, drängt sich dennoch die Frage auf, ob solche Unterschiede im Bereich von essenziellen existenzsichernden Leistungen sozialpolitisch akzeptabel und tolerierbar sind. Vor knapp 20 Jahren hat der Bundesrat die Professionalisierung im Kindes- und Erwachsenenschutz damit begründet, dass es um «Entscheide grosser Tragweite» (BBl. 2006, 7020) und um «Entscheide (…),

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die in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eingreifen» (BBl. 2006, 7021), geht. Diese Gründe gelten a priori auch für die Sozialhilfe, etwa wenn wir an Leistungskürzungen oder sozialhilferechtliche Pflichten denken, die die soziale Teilhabe eingrenzen oder essenzielle Wahlfreiheiten beschneiden.
Es wird die Aufgabe künftiger sozialwissenschaftlicher Forschung sein, die Auswirkungen der heutigen Heterogenität im Zugang zu professionellen Strukturen und Verfahren auf die Ergebnisqualität in der gesetzlichen Sozialhilfe aufzuzeigen. Sollten sich die Hinweise verdichten, dass es zu sozialpolitisch inakzeptablen Unterschieden kommt, wird die Frage aufzuwerfen sein, inwieweit die Autonomie der Gemeinden (durch die Kantone) oder allenfalls der Kantone (durch den Bund) eingeschränkt werden soll, um eine minimale sozialstaatliche Einheitlichkeit im Sozialhilfevollzug zu garantieren.

Literatur

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Coullery, Pascal (2021). Kantonales Sozialhilferecht als Teilssystem der sozialen Sicherheit. Skizze einer rechtlichen Epochenbildung. Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 65, 74–84.
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Materialien des Bundes

Botschaft vom 28. Juni 2006 des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), BBl 2006 7001ff.

Materialien der Kantone

Botschaft vom 30. Juni 1999 des Regierungsrates des Kantons Aargau zum Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention.
Vortrag des Regierungsrates des Kantons Bern an den Grossen Rat zum Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe, Tagblatt 2001 des Grossen Rates des Kantons Bern, Beilage 16.
Gemeinsamer Antrag des Regierungsrates des
Kantons Bern und der Kommission an den Grossen Rat zur Revision des Gesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich, Tagblatt 2010 des Grossen Rates des Kantons Bern, Beilage 32.
Bericht vom 24. Juni 2014 des Regierungsrates des Kantons Nidwalden an den Landrat zur Totalrevision der Sozialhilfegesetzgebung.
Bericht und Antrag vom 5. März 2013 des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen an den Kantonsrat betreffend Revision des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe.
Botschaft und Entwurf vom 12. Juli 2005 des Regierungsrates des Kantons Solothurn an den Kantonsrat zum Sozialgesetz.

Biographische Angaben

Pascal Coullery, Berner Fachhochschule BFH – Soziale Arbeit, pascal.coullery@bfh.ch
Dominik Grob, Berner Fachhochschule BFH – Soziale Arbeit, dominik.grob@bfh.ch

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