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Dieser Beitrag ist Teil des Dossiers 2025 «Post-Humanismus und Soziale Arbeit? Empirische und theoretische Erkundungen».
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Alexander Brunner (2025)
Zusammenfassung
Posthumanistisches Denken stellt eine neue und interessante theoretische und praktische Perspektive für Soziale Arbeit dar, die im deutschsprachigen Raum noch kaum rezipiert wurde. Der Beitrag diskutiert zunächst ausgewählte epistemologische Grundlagen posthumanistischen Denkens, die sich auf die Kritik des Humanismus beziehen, dar und nimmt sympathisierend und kritisch dazu Stellung. Ferner werden einige Thematiken, die für den Diskurs der Sozialen Arbeit bedenkenswert sind, aufgegriffen. Sie beinhalten die Themen Autonomie, ethische Fragestellungen sowie praktische und utopische Momente.
Schlüsselwörter: kritischer Posthumanismus, Soziale Arbeit, Dichotomien, Nicht-Menschliches, Kritik
Posthumanism and social work. Likability and criticism
Summary
Posthumanistic thinking represents a new and interesting theoretical and practical perspective for social work that has hardly been received in German-speaking countries. The article first discusses selected epistemological foundations of posthumanistic thinking, which relate to the critique of humanism, and takes a sympathetic and critical stance on this. Furthermore, some topics that are worth considering for the discourse of social work are taken up. They include autonomy, ethical questions as well as practical and utopian moments.
Keywords: Critical Posthumanism, Social Work, Dichotomy, Non-human, Critique
1 Sounds und Atmosphären des Posthumanismus
„Niemand lebt überall; jeder lebt irgendwo. Nichts ist mit allem verbunden; alles ist mit etwas verbunden.“ (Haraway, 2018, S. 48)
Die Theorie und Praxis Sozialer Arbeit im deutschsprachigen Raum bewegt sich seit vielen Jahren auf relativ gewohnten Bahnen. Man kann sagen, sie hat sich konsolidiert und wesentliche Theoriediskurse der letzten 50 Jahre in ihren eigenen Theoriebestand integriert. Rezipiert wurden der Marxismus und die Kritische Theorie, ferner vielfältige Spielarten der Soziologie (Interaktionismus, Theorie des Kommunikativen Handelns, Praxistheorie und relationale Soziologie), speziell auch die Luhmann’sche Systemtheorie und nicht zuletzt in einer bestimmten Leseart der Poststrukturalismus. Letztgenannte Einschränkung führt auch schon hin zum Thema dieses Beitrags. Der Poststrukturalismus, sofern man ihn überhaupt als eine Einheit bestimmen kann, wurde in der Sozialen Arbeit vor allem über die Thematik der Gouvernementalität und der Macht rezipiert. Nun beruhen auch viele posthumanistische Bewegungen auf dem Poststrukturalismus in Anlehnung, Ableitung und auch z. T. Distanzierung etwa von Michel Foucault (vgl. exemplarisch Barad, 2012, S. 31), vielfach aber auch mit starker Affinität zu einem seiner Weggefährten und Freunde, Gilles Deleuze.
In der Denklinie von Baruch Spinoza über Deleuze und Félix Guattari verbunden mit einigen anderen Autor*innen aus der Lebensphilosophie, wie Henri Bergson, hat der Posthumanismus einen starken Bezug zum sogenannten Neovitalismus (vgl. Seyfert, 2024) aber auch zu Neuen Materialismen (vgl. Hoppe & Lemke, 2021) sowie den Affect Studies (vgl. Slaby & von Scheve, 2019) und dem sogenannten affective turn (vgl. exemplarisch Massumi, 1995). Der kritische Posthumanismus, um den es im Folgenden gehen wird, speist sich weiters aus sozial- und geisteswissenschaftlichen Quellen, wie Feminismen, postkolonialen Theorien und der Critical Race Theory. Nicht zuletzt sind es naturwissenschaftliche Quellen, wie im schon genannten New Materialism einer Karen Barad (2012), die nicht nur Wissenschaftstheoretikerin, sondern auch Physikerin ist oder dem Kompostismus einer Donna Haraway (2018), die neben vielen anderen auch Biologin und Primatenforscherin ist, die diesem Denken zugrunde liegen. Dies alles ergibt eine Theorieatmosphäre (vgl. zu diesem Konzept Beregow, 2021) die nicht nur von zahlreichen neuen Wort- und Begriffsschöpfungen, sondern auch von einem Theoriesound und einer Theorieatmosphäre des Werdens, des Fließens, der Bewegung, der Grenzüberschreitung und Grenzverwischung, des Wucherns, wie überhaupt des Lebens und der lebendigen und aktiven Materie gekennzeichnet ist. Gleichzeitig ist der Ton etwa bei Haraway
auch immer wieder ironisch, positiv und kritisch oder bei Rosa Braidotti, der wohl prägendsten Posthumanistin, bejahend und kritisch. Wichtig erscheint hier noch anzumerken, dass es sich bei Posthumanismen um eine neue Form der Kritik und Abgrenzung von Humanismen handelt, die sich von jener sogenannten Antihumanismen unterscheidet, deren Wechselbeziehungen aber dennoch im Blick zu behalten sind. „Humanismus, Antihumanismus und Posthumanismus bezeichnen also eine diskursive Pluralität, sodass die eigentliche Frage die wechselvollen Beziehungen zwischen ihren Begriffen betrifft“, wie Dieter Mersch in seiner Auseinandersetzung mit den drei Begrifflichkeiten festhält (Mersch, 2020, S. 57).
Insgesamt handelt es sich jedoch um ein begriffliches Terrain, das im herkömmlichen sozialwissenschaftlichen Begriffsfeld sozialisierte Theoretiker*innen und auch Praktiker*innen der Sozialen Arbeit zunächst wohl fremd bis irritierend erscheinen muss. Wer hört im gewohnten Alltag von Theorie und Praxis Sozialer Arbeit schon etwas von Hybriden und Aktanten a la Bruno Latour (1995; 2019), Donna Haraways Multispezies-Gewirr, Chthuluzän und Kritta (Haraway, 2018) oder agentiellem Realismus bei Karen Barad (2012), etc. Jenseits kreativer Wort- und Begriffsschöpfungen, der Liebe zu Metaphern und der teilweisen Esoterik der verwendeten Sprache hat der Posthumanismus jedoch für die Soziale Arbeit interessante Kritikpunkte und weiterführende Überlegungen anzubieten, daher auch die Sympathie für posthumanistisches Denken. Gleichzeitig muss man aus einer epistemologischen, handlungstheoretischen sowie gesellschaftstheoretischen Perspektive nicht mit allem, was hier als neu, kritisch, radikal und zukunftsweisend ins Feld geführt wird, einverstanden sein. Daher ist auch eine Kritik posthumanistischen Denkens intendiert. Wie der Titel meines Beitrags nahelegt, geht es mir sowohl um Anschlüsse im Sinne der Affirmation posthumanistischen Denkens als auch um Sichtung, Abgrenzung und Bewertung im Sinne von Kritik dieser. Im Folgenden wird nach einer kurzen Charakterisierung, was in diesem Beitrag als posthumanistisches Denken verstanden werden soll und worin dieses sich in seinen Grundzügen auszeichnet, auf die allgemeine Rezeption jenes Denkens in der Sozialen Arbeit und ausgewählte, mir bedenkenswerte Themenstellungen, Begriffen und Kritiken einzugehen sein. Vorauszuschicken ist, wie schon aus den vorhergehenden Ausführungen implizit erkennbar, dass es den Posthumanismus so wenig gibt wie den Humanismus oder auch den Marxismus, den Poststrukturalismus, den Feminismus, etc., sondern Formen des Denkens, die sowohl Differenzen beinhalten als auch einen gewissen Kernbestand an Begriffen und Ideen miteinander teilen, auf die im Folgenden einzugehen ist (vgl. zur Orientierung auch Mersch 2020, S. 56–68).
2 Kritischer Posthumanismus – allgemeine Grundzüge
Zunächst soll kurz erläutert werden, was im Rahmen dieses Beitrags unter dem Begriff Posthumanismus summiert wird und welche zentralen Problematisierungen, Themen und Kritiken diese Denkströmung auszeichnen. Jana Loh unterscheidet in ihrer sehr lesenswerten und differenzierten Einführung in den Post- und Transhumanismus (Loh, 2019) zwischen dem Humanismus, dem Transhumanismus und technischem und kritischem Posthumanismus. Während Transhumanismus und technischer Posthumanismus in der Tradition des Humanismus stehen und eine Verbesserung des Menschen durch biologisch-genetische und digital-technische (Transhumanismus) Mittel bzw. seine Überwindung in einer neuen (technischen) Lebensform (technischer Posthumanismus) anstreben, geht es im Folgenden um den kritischen Posthumanismus und dessen Rezeption in der Sozialen Arbeit. Dieser Posthumanismus, der sich, wie schon weiter oben kurz benannt aus Strömungen des Neuen Vitalismus, Neuen Materialismus, Poststrukturalismus, Affekttheorie und feministischen Theorien speist, wobei hier noch nicht alle Bezüge, sondern nur die wichtigsten benannt sind, verfolgt ein anderes Anliegen. Ihm geht es um die Überwindung des Humanismus und des humanistischen Menschenbildes mit all seinen Implikationen.
Der PH möchte >den< Menschen überwinden, indem er mit konventionellen Kategorien und dem mit ihnen einhergehenden Denken bricht. So gelangt der PH an einen philosophischen Standort hinter oder jenseits (>post<) eines spezifischen und für die Gegenwart essenziellen Verständnisses des Menschen. (Loh, 2019,
S. 11 f.)
Interessant ist dabei, dass die transhumanistischen Diskurse und jene des technischen Transhumanismus stark von Theoretikern, wie Nick Bostrom, Max More oder Ray Kurzweil dominiert werden, während der kritische Posthumanismus, abgesehen von Bruno Latour stark von Theoretikerinnen wie Karen Barad, Rosi Braidotti, Jane Bennett und nicht zuletzt Donna Haraway bestimmt wird. Bezüglich letztgenannter ist wiederum interessant, dass sie sich explizit – und man darf vermuten primär – gegen den technischen Posthumanismus abgrenzt und sich wiederum einer neuen Wortschöpfung bedient: „Ich bin Kompost-istin, nicht Posthuman-istin: Wir sind alle Kompost, nicht posthuman.“ (Haraway, 2017, S. 29)
Als Kontrastfolie dient vor allem in englischsprachigen Publikationen zum Posthumanismus das „liberale, humanistische Subjekt“. Dieses wird immer wieder ähnlich charakterisiert wie hier von Vivienne Bozalek und Bob Pease:
„The ideal human in liberalism is represented as male, white, hetero sexual, young and able-bodied, and is distinguished from other ‚lesser‘ humans as well as from other animals and nature.” (Bozalek & Pease, 2021, S. 1) Nun geht es meines Erachtens sicherlich nicht um die Fortführung oder Rehabilitierung einer solchen Subjektkonzeption, die eine stark normativ, empirisch nicht tragfähige und ausschließende Ideologie menschlicher Existenzweisen impliziert. Menschliche Existenz ist wie Feminismen und Poststrukturalismus in ihren Analysen und der Kritik am westlichen Denken deutlich machen, nicht mit männlich und heterosexuell gleichzusetzen. „White Supremacy“ ist eine Herrschafts- und Unterdrückungsform, die ein soziales System von Rassismus und Privilegien weiß gelesener Menschen impliziert, wie Postcolonial Studies und Critcial Withness sowie Critical Race Theorien deutlich machen. Zudem sind Menschen nicht nur jung und schön, sondern auch alt und gebrechlich und von allen möglichen Einschränkungen in ihrem leiblichen und körperlichen Sein betroffen, wie Studien zu Ageismus und die Disability Studies aufzeigen. Davon abgesehen ist überdeutlich, dass der Speziesismus, d. h. die Vorstellung der Mensch sei allen anderen Arten als „Maß aller Dinge“ oder „Krone der Schöpfung“ überlegen und darum berechtigt sie zu beherrschen und auszubeuten, wie auch der Umgang mit Natur im Allgemeinen nicht nur ethisch fraglich, sondern, wie Extraktivismus und Klimakrise zeigen höchst zerstörerisch. Angesichts der beschriebenen Kritiken hege ich gleich den Posthumanist*innen keine Trauer um dieses Subjekt. Eine Dezentrierung des Subjekts und eine Verabschiedung des Anthropozentrismus in Richtung eines Postanthropozentrismus sind sowohl theoretisch gerechtfertigt als auch praktisch dringend geboten.
Mit dem humanistischen oder liberalen Subjekt wird epistemologisch ferner das Konzept von Dualität bzw. Binarität verbunden, wiederum eine Figur, die stark kritisiert und in Frage gestellt wird, wie Marina Richter ausführt:
Dualisms structure most of human thinking, such as the gender dualism of man/ woman, the othering dualism of us/them, North/South, West/East, and further mind/body, or subject/object. It seems that the dualism of nature/culture lays the foundation for most other dualisms and that the elements on the culture side are to dominate the elements located on the nature side. (Richter, 2023, S. 213)
Interessant an diesen Ausführungen ist zunächst eine Leerstelle, die auch viele weitere solche Aufzählungen von Dualismen, die mit Moderne, Aufklärung und Humanismus meist recht undifferenziert gleichgesetzt werden, betrifft. Der
Fokus ist immer wieder stark, wie auch Richter hier hervorhebt auf die Dualität
Natur/Kultur und deren Dekonstruktion bzw. Überwindung gerichtet. Eine wesentliche Dualität fehlt zumeist, nämlich jene von Natur/Gesellschaft, die das moderne Denken entscheidend mitgeprägt hat. Eine Ausnahme hiervon bildet sicherlich Bruno Latour, der diese Dichotomie einseitig in Richtung Gesellschaft auflöst (vgl. zur Kritik Schürmann, 2015). Dies kann auch als ein Hinweis gelesen werden, dass in diesen Diskursen zu Posthumanismus häufig philosophisch, geistesgeschichtlich und kulturgeschichtlich argumentiert wird und gesellschaftstheoretische Lesearten eher unterpräsentiert sind. Demgegenüber wird eine neue Art des Denkens, das vielfach ontologisch in sogenannten flachen Ontologien und in einer relationalen Ontologie fundiert ist, angeboten und mit der eine weitere zentrale Dichotomie innerhalb des posthumanistischen Diskurses aufgerufen wird, jene zwischen menschlich/nicht-menschlich, die es in Frage zu stellen und zu überwinden gelte. Dies hat sowohl epistemologisch, praktisch als auch ethisch interessante Konsequenzen, wie noch an einigen Ausführungen weiter unten deutlich werden soll. Vorausgeschickt sei jedoch in kritischer Absicht, dass posthumanistischen Impulsen in diesen drei Bereichen für die Entwicklung Sozialer Arbeit gefolgt werden kann, ohne unbedingt die implizierten ontologischen Prämissen teilen zu müssen.
Überhaupt wird recht pauschal von dem Menschen, dem Humanismus, der Moderne, der Aufklärung gesprochen, was zumeist Differenzen innerhalb der jeweiligen Begrifflichkeiten und den damit verbundenen historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nicht berücksichtigt und somit auch keine differenzierte Kritik ermöglicht. Damit verbunden wird eine Geschichte des Irrwegs der Menschheit erzählt und deren Errettung durch ein neues, anderes Denken, dass dann eben posthumanistisch und postanthropologisch sei und all die Dualitäten, Irrtümer und damit verbundenen Dominanzverhältnisse überwinde (vgl. dazu auch Hoppe & Lemke, 2021, S. 146). Man könnte auch sagen, hier wird wiederum ein Dualismus aufgebaut Humanismus/Posthumanismus, in einem Denken, dessen programmatisches Ziel es ist, eben solche abzubauen. Abgesehen davon, dass ein Neuanfang oder „radikaler Bruch“ selbst eine Illusion ist und ein dialektisches Denken, das ontologisierenden Zugängen meist fremd ist, hier sinnvoller wäre und die Positionen in Bewegung bringen und fruchtbar machen könnte. Es besteht, wie Hoppe und Lemke schreiben
die Gefahr, dass viele kritische und analytische Ressourcen, die innerhalb des Humanismus zur Verfügung stehen, durch den Wechsel in das Register des Posthumanismus verloren gehen. Anstatt die Grenzen zu befestigen und an Gegensätzen festzuhalten, scheint es vielversprechender, Gemeinsamkeiten zu erproben und Spannungen herauszuarbeiten (Hoppe & Lemke, 2021, S. 146–147).
Ein Beispiel, an dem diese Generalisierungen ihren problematischen Cha rakter zeigen, betrifft den neu eingeführten, geologischen Begriff des Anthropozän, der auch in posthumanistischen Diskursen vielfach rezipiert wird. Der Begriff dient zur Charakterisierung eines neuen Erdzeitalters nach dem Holozän, mit dem der verändernde und zerstörerische Zugriff auf natürliche Grundlagen durch Menschen thematisiert wird. Wie Philip Hogh deutlich macht „legt der Begriff nahe, es sei der Mensch oder die Menschheit gewesen, deren Einwirkungen auf die Natur ein neues erdgeschichtliches Zeitalter eingeläutet hätten“ (Hogh, 2021, S. 1021). Was damit aus dem Blick gerät und auf den fehlenden historischen und gesellschaftstheoretischen Bezug solcher Argumentation verweist ist, dass die „Verantwortung für Erderwärmung und Naturzerstörung ursprünglich primär den (staats-)kapitalistischen Gesellschaften des globalen Nordens“ zufällt und „sie durch den Begriff des Anthro pozäns hinter einem imaginierten Gesamtsubjekt Menschheit“ (Hogh, 2021, S. 1021–1022) verschwindet. „Es steht so nicht die kapitalistische Verfasstheit des menschlichen Zusammenlebens zur Kritik. Die Gründe für Erderwärmung und Zerstörung der Natur werden stattdessen in das Handeln der Menschheit selbst verlegt.“ (Hogh, 2021, S. 1022) So hat zuletzt etwa John Ife in Bezug auf die Menschenrechtsorientierung der Sozialen Arbeit und damit die Erweiterung von social und community hin zu non-human fest gehalten, dass wir damit auch unsere Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit verändern müssen. Dabei dürfen aber Machtunterschiede und Verantwortlichkeiten innerhalb menschlicher Verhältnisse nicht übersehen werden.
At the same time, we must remember that the most disadvantaged of the human population are the least responsible for ecological disaster; there is a real danger that the disadvantaged (…) will be discarded in our pursuit of more sustainable and ecologically sensible way of living. Hence, there is a need for social workers to be both asserting the values of humanity and decentering the human at the same time, however contradictory this might seem. (Ife, 2018, S. 31)
Ein positives Beispiel in Bezug auf Kritik von Dichotomien und Dualität wäre in der Berücksichtigung des Leiblich-körperlich-affektiven im posthumanistischen Denken zu sehen. Die Trennung zwischen Leibkörper und Denken sowie zwischen Vernunft und Emotion durchzieht das moderne Denken seit René Descartes. Damit ist gleichzeitig eine Hierarchie und Abwertung des Männlichen als Denken und Vernunft gegenüber dem Weiblichen als Körper und Emotion tief in Theorie, Praxis und Gesellschaft eingeschrieben. Dies betrifft nicht zuletzt auch die Soziale Arbeit, die wie viele Sozialwissenschaften stark sprach-
und bewusstseinszentriert verankert ist. Diese Ausrichtung prägt nicht nur Theorien, sondern auch methodisches Handeln und die zugrundeliegenden Handlungstheorien Sozialer Arbeit die vielfach einem rationalistischen Bias unterliegen. Rationale Handlungsmodelle basieren laut Hans Joas auf drei Vorannahmen, indem sie Handlende „erstens als fähig zum zielgerichteten Handeln, zweitens als seinen Körper beherrschend, drittens als autonom gegenüber seinen Mitmenschen und seiner Umwelt“ (Joas, 1996, S. 217) darstellt. Das Problem beginnt dort, wo es zum primären Handlungsmodell wird und alles andere, was Handlungen real konstituiert, dran gemessen wird und bewertet wird. Ferner ist an diesem Modell problematisch, dass es Handlungen nicht prozessual fassen kann, sie sind nie einfach die Verwirklichungen von vorgefassten Entwürfen, die Motivationen von Handlungen nicht nur im Denken, sondern im Bereich von Emotionen, Impulsen, Intentionen, etc. also auch im vorprädikativen Bereich zu finden sind. Handlungen sind ferner immer auch in einen intersubjektiven und situativen Kontext eingebettet und insofern sind Handelnde auch nicht autonom gegenüber sondern in eine Umwelt verschränkt zu betrachten. Jenseits des rationalen Handels liegt im klassischen dichotomen Denken dann das Nicht-rationale, Emotionale, das weiters leicht der Irrationalität verdächtigt wird. Damit befinden wir uns auch aus einer Genderperspektive im Kontext von „männlicher“ Rationalität und „weiblicher“ Emotionalität und entsprechender Bewertungen in Bezug auf menschliches Handeln, was nicht unerheblich für eine Profession ist, die in einem hohen Maße von weiblich gelesenen Personen ausgeübt wird.
Was an der Kritik an den genannten Dualismen meines Erachtens richtig ist, und meine Sympathie hat, ist deren Infragestellung und dass sie kritisch hinterfragt und in Fluss gebracht werden. Diese Unterscheidungen sind in der Tradition vielfach mit starren Grenzen, Hierarchisierungen und Wertungen verbunden, die bis heute anhalten und die in Frage zu stellen und zu kritisieren sind. Die Grenzen etwa zwischen Subjekt und Objekt, Körper und Geist, Denken und Emotion, Natur und Kultur, Natur und Gesellschaft etc. zu verflüssigen und zu verschieben und vor allem die entsprechenden Hierarchisierungen, Bewertungen und dahinterliegenden Herrschaftsansprüche nicht nur in Frage zu stellen, sondern zu dekonstruieren und in Bewegung zu bringen scheint mir im Sinne einer weniger ausschließenden, unterdrückenden und herrschaftsfreieren Beziehung zwischen Menschen aber auch mit nicht-menschlichen Entitäten wünschenswert, auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass sie sich im Sinne irgendeiner Ontologie des Lebens auflösen lassen. Gleichzeitig sind diese Binaritäten vielfach zu einfach konzipiert. Kritisch ist zu sehen, was Hoppe und Lemke als „normativen Egalitarismus“ (2021, S. 148) in Bezug auf neomaterialistische
Arbeiten bezeichnen, und was wohl den gesamten posthumanisti schen Diskurs bezüglich der Unterscheidung menschlich/nicht-menschlich betrifft. Den weder das Menschliche noch das Nicht-Menschliche sind als identisch, sondern vielfach differenziert zu denken und nicht innerhalb des jeweiligen Begriffs zu Homogenisieren. Dies betrifft wie schon dargestellt nicht nur Differenzen im Sinne von Herrschaft, Macht und Asymmetrien innerhalb der Kategorie „Menschlich“, sondern ebenso die Kategorie „Nicht-Menschlich“.
Die Klassifizierung >nicht-menschlich< trifft auf technologische Artefakte oder materielle Infrastrukturen ebenso zu wie auf Felsen und Affen. Sie umfasst ein äußerst vielfältiges Spektrum von lebenden und nicht-lebenden, von durch Menschen geschaffenen und von >natürlichen< Entitäten, deren Reichtum und Komplexität die binäre Unterscheidung menschlich/nicht-menschlich nur unzureichend erfasst. (Hoppe & Lemke, 2021, S. 148)
Wenn Soziale Arbeit nun ihrerseits diesen durchaus wichtigen Impuls zur Infragestellung der Kategorien menschlich/nicht-menschlich in ihre Diskurse von Theorie, Praxis und Forschung aufnimmt, so tut sie gut daran, sich jener Tendenz zur Vereinfachung und Homogenisierung bewusst zu sein.
3 Posthumanismus und Soziale Arbeit
Wie steht es nun mit der Auseinandersetzung und Rezeption posthumanistischen Denkens im Diskurs der Sozialen Arbeit. Während diese im angloamerikanischen Diskurs inzwischen angekommen zu sein scheint (vgl. exemplarisch Bozalek & Pease, 2021), ist sie dagegen im deutschsprachigen Raum eher rar. Man kann die Beiträge in deutscher Sprache an einer Hand abzählen, ergänzt durch eine englischsprachige Publikation der Schweizer Kollegin Marina Richter. Julius Späte, der sich unter anderem mit Digitalisierung und Sozialer Arbeit befasst, hat dazu einen Artikel und ein Statement veröffentlicht (Späte, 2020; 2021). Während sich der Artikel mit der „Triade“ Soziale Arbeit, digitale Transformation und technologischer Posthumanismus befasst (2021) handelt es sich beim Statement in der Zeitschrift „Humanismus aktuell“ im Kontext von Covid19 einerseits um eine Kritik des Humanismus und anderseits um einen Aufruf sich posthumanistischen Argumenten zuzuwenden. Humanismus und Anthropozentrismus seien angesichts von Covid-19 und Klimawandel nicht mehr zeitgemäß bzw. „Geschichte“ (Späte, 2020, S. 3).
Alexander Brunner befasst sich in seinem Beitrag mit Perspektiven auf Soziale Arbeit aus Sicht trans- und posthumanistischer Diskurse (Brunner, 2021a). Wie Späte greift er dabei auf die Unterscheidung von Humanismus,
Transhumanismus und Posthumanismus von Jana Loh (2019) zurück und stellt einige kritische Fragen an den derzeitigen Diskurs bzgl. Digitalisierung und Mediatisierung in der Sozialen Arbeit. Er zeigt unter anderem auf, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Diskursen und gesellschaftlichen Transformationen im Rahmen von Digitalisierung geboten sind. Ausdrücklich werden auch die Fragen der Orientierung am Humanismus und die Technikambivalenz Sozialer Arbeit thematisiert, wie auch in einem weiteren Beitrag des Autors (Brunner, 2021b). Wie bei Späte ist dies mit einem Aufruf an die Soziale Arbeit verbunden, sich mit diesen Theorien und Entwicklungen zu befassen. Beide Autoren konzentrieren sich im Rahmen der Trias Ökologie-Mensch-Technik und deren Verschränkung im kritischen Posthumanismus primär auf die Mensch-Technikrelation in Verbindung mit der digitalen Transformation.
Am ausführlichsten haben sich im Kontext „deutschsprachiger“ Sozialer Arbeit ein Schwerpunktheft zum Thema „Anthropozän“ der Zeitschrift für Sozialpädagogik (2022) sowie Kollegin Marina Richter in einem in englischer Sprache erschienen Beitrag mit Kritischem Posthumanismus und Sozialer Arbeit befasst. Richter (2023) unternimmt in Anschluss an zentrale Autor*innen des Posthumanismus, Neuen Materialismus und den Affect Studies sowie entsprechenden Autor*innen aus dem englischsprachigen Diskurs der Sozialen Arbeit, die diesen Diskurs bereits für die Soziale Arbeit aufgenommen haben, den Versuch diese Überlegungen für die Soziale Arbeit fruchtbar zu machen. Dabei werden sowohl konzeptionelle und begriffliche Grundlagen dargestellt (Richter, 2023, S. 211–213) und reflektiert als auch Argumente für eine posthumanistische Perspektive auf Soziale Arbeit entwickelt (Richter, 2023, S. 214–215) bis hin zu Fragen von posthumanistischer Forschung, Praxis und zu ethischen Fragestellungen (Richter, 2023, S. 216–217). In der Zeitschrift für Sozialpädagogik zum Schwerpunkt Anthropozän finden sich Beiträge, wie von Alexandra Retkowski und Sebastian Sierra Barra (2022), die sich vertiefenden mit den erkenntnistheoretischen (ontologischen) Grundlagen, dem Welt- und Subjektverständnis als auch politischen Implikationen sogenannter Neuer Materialismen beschäftigen. Bezugsautor*innen auch mit Blick auf die Frage einer sozioökologischen Transformation sind Barad, Braidotti, Haraway und Latour. Auch in den anderen Beiträgen wird in unterschiedlicher Gewichtung auf genannte Autor*innen Bezug genommen, wenn Fragen des Green Social work in einer ökozentrischen und posthumanistischen Perspektive thematisiert werden (Schmelz, 2022) oder im Konzept einer regenerativen Praxis Sozialer Arbeit Bezüge zu posthumanistischem Denken, indigenem und alternativen Wissen, sozialen Bewegungen und der Dekolonialisierung hergestellt werden (Or, 2022). All dies kann als Anregung und als Ausgangspunkt zur intensiveren Beschäftigung
mit posthumanistischem Denken in der deutschsprachigen Sozialen Arbeit dienen. Ich selbst möchte meinerseits im Folgenden daran anschließend einige weitere mir interessant erscheinende Fragestellungen aus dem posthumanistischen Diskursfeld für Soziale Arbeit in sympathisierender und kritischer Perspektive aufnehmen, um weitere Anstöße für den deutschsprachigen Diskurs anzubieten.
4 Zu Fragen der Autonomie im Posthumanistischen Diskurs mit Blick auf Soziale Arbeit
„Als leibliche Wesen haben wir nicht die Wahl zwischen
Selbstbestimmung und Fremdbestimmung (…) Unsere Möglichkeiten realisieren sich in den verschiedenen Formen der Beziehung zwischen Unschuld und Gewalt, zwischen Subjekt und Objekt.“
(Meyer-Drawe, 2000, S. 153–154)
Der Infragestellung und Dezentrierung des Menschen oder Subjekts im Posthumanismus auf der theoretischen Ebene entspricht auf der Ebene von Praxis jene von Handeln und Handlungen oder wie vielfach zu lesen ist der Agency. Dies umfasst sowohl die Handlungsfähigkeit und Handlungsmacht menschlicher Akteur*innen als auch die Frage nach der Agency von nicht-menschlichen Akteur*innen. Beide Aspekte sind miteinander verschränkt bedürfen jedoch einer getrennten Behandlung, Analyse und Kritik. Wie bei anderen zentralen Fragestellungen und Angriffspunkten ist auch bei der Infragestellung der Autonomie bzw. des autonomen Subjekts eine Rückfrage angebracht, was hier infrage gestellt wird. Autonomie und das autonome Subjekt können unterschiedliches bedeuten und dementsprechend muss die jeweilige Kritik auf diese unterschiedlichen Bedeutungen und Verwendungen Bezug nehmen. Pauschale Reden vom Verschwinden der Autonomie oder dem Bedeutungsverlust des Subjekts mögen als rhetorische Figuren Aufmerksamkeit erzeugen, dienen aber nicht der Sache. Autonomie umfasst in den Diskursen von Philosophie und Sozialwissenschaften verschiedene Aspekte und auch die Kritik am Autonomiebegriff ist nicht neu. Auf der Ebene von Praxis geht es hier vor allem um die Fragen von Handlungsfähigkeit von menschlichen und, was vor allem posthumanistisches Denken stark gemacht hat, von nicht-menschlichen Akteur*innen bzw. Aktanten.
Zunächst zu jenen Aspekten, für die ich Sympathie hege und die ich für die Entwicklung von Theorie, Praxis und Forschung Sozialer Arbeit für bedenkenswert halte. Soziale Arbeit beschäftigt sich mit dem Sozialen und
gründet darauf, wie der Begriff schon enthält, wobei sich jenseits des Alltags verständnis in Bezug auf das Soziale die Frage stellt, was damit in einem wissenschaftlichen Kontext gemeint ist. In der Sozialen Arbeit wird das Soziale vielfach mit dem Mitmenschlichen, mit sogenannten Face-to-Face Situationen unter anwesenden menschlichen Akteur*innen gleichgesetzt, zumindest in Lesearten, die ihrerseits bestimmten soziologischen Theorien folgen. Ferner wird das Soziale in einer anderen Leseart mit übergreifenden Entitäten, sprich Strukturen, Systemen der Gesellschaft verbunden. Was all diesen Auslegungen mehr oder minder gemein ist, ist die Orientierung am Menschen, Subjekt, Individuum bzw. den zuvor genannten durch ihn hervorgebrachten überindividuellen Entitäten. Diese Humanfixierung aus posthumanistischer Perspektive in Richtung non-humans und more-than-human in Frage zu stellen, scheint mir sowohl theoretisch als auch praktisch und empirisch durchaus wichtig und weiterführend.
Erstens ist es unter den Bedingungen fortschreitender Technisierung und digitaler Transformation geboten das Soziale über das Menschliche hinaus zu denken und zu konzipieren. Es ist ein techniksoziologischer Gemeinplatz, dass die Spezies Mensch nicht erst entsteht
indem sie technisch wurde, vielmehr ist sie immer schon technisch gewesen. Wenn Menschen und Technik sich also durch eine ursprüngliche Relation konstituieren, dann kann es keine essentialistische Bestimmung des Menschen oder der Technik geben, sondern nur die historische Betrachtung ihrer Interaktion. (del Fabbro 2019, S. 294)
Wir haben gegenwärtig einen gesellschaftlichen und technischen Zustand erreicht, indem Technologien zumindest in westlichen Gesellschaften in einem fundamentalen Sinn unser Leben, die Lebenswelt und den Alltag ermöglichen, strukturieren und aufrechterhalten. Wir interagieren in vielfältiger Weise mit Smartphones, Apps, Fahrassistenzsystemen, Smart Homes, etc. Sie sind uns, wie Kevin Liggieri schreibt
zweifellos ‚auf den Leib gerückt‘. Sie sind Teil unseres Körpers, unserer Arbeits- und Lebenswelt. Sie umgeben und komplementieren uns. Dabei nehmen wir sie meist nicht als fremd oder unheimlich wahr. In ihrer Alteritätslosigkeit sind sie nicht nur unser Zugang zur Welt, sondern sie sind unsere Welt geworden. Wir bedienen unsere Handys, Smart- TV oder Laptops, indem wir scrollen, tippen, drücken oder streicheln. Wir sind mit der Technik immer relational verbunden – und nicht selten emotional. (Liggieri, 2022, S. 75)
Diese Umwelten sind nicht außerhalb des Sozialen zu sehen, sondern inner halb, sie sind auch nicht nur mehr einfach Instrumente, die man gebraucht, sondern wie Karin Knorr-Cetinas Theorie zur Postsozialität deutlich macht, Teil einer neuen gesellschaftlichen Konfiguration. Mitglieder moderner Wissensgesellschaften unterhalten eine Sozialität mit Objekten.
Im Klartext bedeutet das, dass die Objekte selbst zu relevanten Bestandteilen, Mitgliedern oder gar Akteuren der Gesellschaft werden und so ihre alten soziologischen und anthropologischen Bestimmungen hinter sich lassen, denen zufolge Objekt nichts anderes sind als Instrumente oder Waren einer im weitesten Sinne >humanistischen< Sozialität. (Maasen & Kaiser, 2010, S. 88)
Dies scheint mir für Soziale Arbeit und ihr Verständnis des Sozialen oder auch Analysen der Lebenswelt und der stattfindenden digitalen aber auch damit verbundenen sozialen Transformationen in mehrfacher Hinsicht bedenkenswert. Einerseits in Bezug auf die Interaktionen mit nicht-menschlichen technischen Artfakten und Beziehungen zu ihnen. Dies umfasst mehr als nur Beziehungen und Interaktionen mit anderen menschlichen Akteur*innen, die im Sinne der Mediatisierung darüber hergestellt und gepflegt werden, sondern auch im Sinne von Beziehungen zu und Interaktionen mit diesen nicht-menschlichen Akteur*innen. Wie die Handlungsfähigkeit und Handlungsmacht zwischen menschlichen Akteur*innen und nicht-menschlichen Aktanten jeweils verteilt sind, ist nicht generell festzumachen, sondern situativ auszuloten. Dass nicht-menschliche Aktanten bedeutsam sind und Handlungsmacht entfalten bzw. menschliche Autonomie bestimmen, mitbestimmen oder auch beschränken können, ist für Soziale Arbeit ein zunehmend wichtiges Thema, wenn man an den Einsatz von Algorithmen zur Risikoabschätzung oder neuere Entwicklungen im Bereich maschinellen Lernens (KI) in den Blick nimmt. In immer komplexer werdenden soziotechnischen Ökologien kann nicht mehr von einem naiven instrumentellen Verständnis von Technologien und ihrer Agency ausgegangen werden. Auch dies ist eine Lektion, die Soziale Arbeit aus den Überlegungen posthumanistischen Denkens lernen kann. Gerade die Praxis Sozialer Arbeit ist hier aufgefordert, die materiellen und nicht-menschlichen Aktanten (Latour) mehr in den Blick zu nehmen. Dies umfasst technische und digitale Artefakte wie Apps und Software (vgl. dazu exemplarisch Weber & Rink, 2024), mit und durch die wir soziale Beziehungen gestalten, etwa im Sinne mediatisierter Kommunikation in der Onlineberatung. Ferner ist auch die Wirkmacht analoger Artefakte, wie jene von Räumen, Gebäuden, Infrastrukturen, die „mitwirken“, in das praktische Handeln miteinzubeziehen, die keine Rand- oder
Außenbedingungen des beratenden, unterstützenden, helfenden methodi schen Handelns und menschlicher Autonomie sind. Menschliche Autonomie existiert nicht im irgendwo, sondern im konkreten Hier und Jetzt und ist durch die genannten Dimensionen in der Praxis mitbestimmt, sowohl auf Seiten der Professionist*innen als auch der Nutzer*innen der Sozialen Arbeit. Neben den menschlich hervorgebrachten Dimensionen umfasst dies auch die natürlichen und ökologischen Bedingungen des Menschseins. D. h. im Sinne der Orientierung am Menschen wäre hier auch gerade die leib-körperlich-sinnliche Dimension, ihre Verletzbarkeit, Überforderung und Gefährdung in der Praxis der Sozialen Arbeit in einer posthumanistischen und affekttheoretischen Perspektive bewusster ins Handeln einzubeziehen.
Zweitens hat der Blick auf nicht-menschliche Aktanten bezüglich einer ökologischen Orientierung Sozialer Arbeit bedeutsame Anregungen zu bieten. Ein zentrales Anliegen neben der zumindest im posthumanistischen Diskurs der Sozialen Arbeit vernachlässigten Relation Mensch-Technologie ist es die Relation Mensch-Umwelt, der hohe Aufmerksamkeit gezollt wird. Die Berücksichtigung von natürlichen Entitäten, seien es Pflanzen, Tiere oder die gesamte Ökologie, beschäftigt Soziale Arbeit zusehends sowohl in Bezug auf die Auswirkungen der Klimakrise und damit verbundenen Fragen von Klimagerechtigkeit und den Auswirkungen der Klimakrise in sozialer, ökologischer und politischer Hinsicht. Es ist wohl zu einfach und unterkomplex den Humanismus für all diese Entwicklungen verantwortlich zu machen und sich im Sinne einer Rettungsgeschichte eine Bewältigung dieser Krise durch eine Umstellung der Denkungsart auf den Posthumanismus zu erwarten. Was jedoch wichtig ist und Sympathien weckt, ist die Kritik an der Vormachtstellung menschlicher Akteur*innen und des damit verbundenen Speziesismus. Die menschliche Spezies steht nicht jenseits von Natur und Ökologie, sondern ist Teil von ihr. Wir sind, wie bereits oben angemerkt keine Geisterwesen, sondern leiblich-körperlich-biologische Entitäten. Dies mag banal klingen, aber angesichts der Ignoranz gegenüber der Zerstörung unserer natürlichen Grundlagen und dem Raubbau an natürlichen Ressourcen, muss man wohl immer wieder darauf hinweisen. Im engeren Sinn geht es hier aber in Bezug auf Soziale Arbeit auch um den Bezug bzw. die Auswirkungen von menschlichen Konflikten auf Tiere (Fraser & Taylor, 2021, S. 161–174). Wichtig erscheint ferner, dass diesen Aktanten Handlungsmacht zukommt, die menschliche Autonomie wesentlich beschränken kann, wie ein mikroskopisch kleiner Virus in diesem Fall tatsächlich der ganzen Menschheit zuletzt im Rahmen der COVID-19 Pandemie wohl sehr deutlich gezeigt hat. Gleichzeitig ist aber von gewissen
Romantisierungen der Natur, die sich auch tendenziell in manchen posthuma nistischen Äußerungen finden lassen, Abstand zu nehmen, wie wiederum Jim Ife zuletzt festgehalten hat:
But ‚nature‘ ist not just benign and benevolent. It is also threatening and dangerous, after all, ‚nature‘ includes earthquake, tsunamis, poisonous snakes, mosquitoes, viruses and so on (…). We do need to reconnect to nature, and to realize that humans are part of nature and interconnected and interdependent with other species, but to do so recognising that nature can be hostile as well as nurturing and is to be respected. (Ife, 2018, S. 31)
Damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der für Soziale Arbeit bedenkenswert ist, zur Frage ethischer Implikationen posthumanistischen Denkens.
5 Zu Fragen einer posthumanistischen Ethik und deren Folgen für die Soziale Arbeit
„Wir werden miteinander oder wir werden gar nicht.“
(Haraway, 2018, S. 13)
Wichtige Moment in zahlreichen posthumanistischen Diskursen sind immer wieder ethische Fragen, die sich aus dieser Denkweise ergeben. Hier sind Autorinnen aus dem posthumanistischen Spektrum für die Soziale Arbeit mit ihren Ethikkonzeptionen von Interesse, wie Rosa Braidotti, Karen Barad sowie Donna Haraway, die durchaus unterschiedliche ethische Konzepte favorisieren. Ich möchte in diesem Beitrag nur auf Haraways „post-anthropozentrische Ethik des Antwortens“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 131) eingehen. Dies ist insofern wichtig, da Soziale Arbeit sich vielfach als Menschenrechtsprofession versteht und die Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte als ethische Leitlinie herangezogen wird. Angesichts der durch menschliche Arroganz hervorgerufenen Klimakrise ist es jedoch
no longer enough to talk simply about human rights. While, as argued earlier, we need to affirm the values of humanity, at the same time we need to decenter humanity from our moral reasoning and recognize that our humanity is bound up with the health and well-being of other species, and indeed of the earth itself.
(Ife, 2018, S. 31)
In dieser Formulierung von Ife geht es keineswegs um die Zurückweisung der menschenrechtlichen Orientierung in der Sozialen Arbeit generell, wohl aber um eine Perspektivenverschiebung, die Anliegen ausspricht, die auch den Posthumanismus kennzeichnen. Es geht um eine Dezentrierung des Menschen und eine Anerkennung dessen, dass das Wohlergehen menschlicher Spezies wesentlich mit dem Gedeihen anderer Arten und dem Planeten als Ganzen verschränkt ist. Dies impliziert ebenfalls, dass die Menschenrechte bzw. moralische Überlegungen auf andere Spezies bzw. auf natürliche Entitäten erweitert werden müssen. Es braucht, wenn man so will, eine ökozentrisch erweiterte Form der Menschenrechte. Posthumanistische Ethiken gehen darüber jedoch hinaus, wie die folgenden Ausführungen zu Donna Haraway zeigen sollen.
Donna Haraways Arbeiten haben, wie Hoppe und Lemke festhalten, schon seit den 1980er ein wesentliches Thema: „das komplexe Zusammenwirken und wechselseitige Hervorbringen menschlicher und nicht menschlicher Entitäten“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 126). Auch wenn Haraway sich aus guten Gründen gegen das Etikett posthuman wehrt, vertritt sie damit und ebenso mit der darunter liegenden relationalen Ontologie, ein zentrales posthumanistisches Anliegen. Relationale Ontologien unterstellen einen Primat von Relationen vor den Relata und damit verbunden, dass diese erst aus kontingenten und sich verändernden Relationen hervorgehen. Es wird unterstellt, dass „Körper und Entitäten überhaupt erst in und durch Beziehungen entstehen“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 128). So schreibt Haraway das Wesen (Beings) „nicht vor ihren Verhältnissen und Beziehungen“ existieren und weiter, dass „die Welt ein Knoten in Bewegung“ sei und „es keine unabhängig existierenden Subjekte und Objekte und keine einzelnen Ursprünge, einheitlichen Akteur*innen oder abschließende Ziele gibt“ (Haraway, 2016, S. 12–13). Dabei vertritt sie, wie das Zitat am Eingang dieses Beitrags deutlich macht, keinen Holismus im Sinne von „alles ist mit allem verbunden“, ihr Ansatz ist weltlicher und situativer, wo alles mit etwas verbunden ist. Ihr Denken kreist um Ko-Evolution und Ko-Konstitution verschiedener Spezies, die wie ihr berühmtes Cyborg Manifest (Haraway 1995, S. 33–72) nicht auf natürlich Entitäten beschränkt ist.
Aus dieser Position eines speziesübergreifenden Miteinander-Werdens (becoming-with) hat sie eine Ethik des Antwortens bzw. der Antwortfähigkeit response-ability entwickelt (Haraway, 2008, S. 22–26; Haraway, 2018, S. 143–160). Diese situative und responsive Ethik, die in vielem jener des Phänomenologen Bernhard Waldenfels ähnelt (2006, S. 56–67) und wie dieser an Emmanuel Lévinas anschließt, geht von der Alterität des Anderen aus, bei Haraway der „signifikanten Andersartigkeit“ (2016, S. 14). Zentral ist auch, dass eine solche Ethik, „die ihre Maßstäbe nicht voraussetzt, sondern situativ generiert
und kritische zur Debatte stellt“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 132) sich nicht der Vulnerabilität und auch Destruktivität des Lebens verschließt. „Der ökologische Lebensbegriff betont die konstitutive Relationalität der Welt, die nicht die Harmonie >des Natürlichen< beschreibt, sondern die Vulnerabilität und Negativität von Leben ins Zentrum rückt.“ (Hoppe, 2022, S. 131) Damit steht sie ethisch auch gegen posthumanistische Tendenzen, die die gegenseitige Verschränkung und Verwobenheit und das Werden rein positiv und ermöglichend, als Potential, Entfaltung und lebenssteigernd formatieren, wie dies etwa bei Rosi Braidotti der Fall ist (vgl. kritisch dazu Hoppe & Lemke, 2021, S. 92–97). Damit werden allzu leicht Konflikte und Asymmetrien ausgeblendet. Das Mit-Werden hat auch immer wieder destruktive, machtvolle und asymmetrische Komponenten. Wir begegnen uns im Rahmen dieser ethischen Konzeption nicht prinzipiell als gleiche, sondern sind aufgefordert uns auf andere nicht vereinnahmend einzulassen und nicht bloß zu reagieren, sondern zu antworten (response). Dies impliziert nicht nur Antwortfähigkeit, sondern auch Respekt. „Species interdependence is the name of the worlding game on earth, and that game must be one of response and respect” (Haraway, 2008, S. 19) wie es Haraway in der ihr eigenen Sprache auf den Punkt bringt. Zuletzt bedeutet dies auch, dass entgegen der teilweise zu findenden Einebnung der Entitäten im Posthumanismus bei Haraway ein Bewusstsein und eine Betonung menschlicher Verantwortung zu finden ist. Wir sind alle verantwortlich dafür, die Bedingungen für artenübergreifendes Gedeihen angesichts fürchterlicher Geschichte/n zu gestalten, aber nicht alle auf die gleiche Art und Weise. Die Unterschiede sind von Gewicht – in Ökologien, Ökonomien, Arten, Lebensvollzügen (Haraway, 2018, S. 159).
Diese Ethik kann mit Katharina Hoppe auch als eine politische Ethik verstanden werden.
Haraway stellt keinen Regelkatalog für gutes und richtiges Antworten auf, normative Maßstäbe und Urteile müssen in politischen und politisierenden Prozessen stets neu errungen werden. Allein der normative Horizont einer Minimierung des Leidens und des Tötbar-Machens lassen sich als Richtschnur für ein besseres speziesübergreifendes Zusammenleben verstehen. (Hoppe, 2022, S. 142)
Dieser Entwurf einer responsiven Ethik könnte auch für die Soziale Arbeit, die über das Humane hinausdenkt und Verantwortung übernimmt ein bedenkenswerter Ansatz sein, der die menschenrechtliche Perspektive in einer spezies-
übergreifenden Form erweitert ohne die menschliche Verantwortung in flachen Ontologien quasi-gleicher Entitäten einebnet.
Damit stellt sich konkret für die Praxis der Sozialen Arbeit die Frage, wie eine Balance zwischen ethischen menschenrechtlichen und ökozentrierten Anliegen gefunden werden kann. Kritisch wären hier etwa Praxen einer ökologisch orientierten Sozialen Arbeit zu sehen, die aus einer Mittelschichtperspektive moralische Ansprüche bzgl. ökosensiblen Handelns formulieren und an jene stellen, sei es lokal oder global, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen und häufig stärker von deren Auswirkungen betroffen sind. Noch grundsätzlich braucht es, in Bezug auf einen Transfer der theoretischen Rahmungen in die Praxis Sozialer Arbeit, die zuvor unter dem Titel Posthumanismus ins Spiel gebracht wurden, mehr als die Einstellung auf ein anderes, neues und modisches Vokabular. Es erfordert von Praktiker*innen so etwas, wie eine posthumanistische Haltung, die sich in konkreten Handlungen in unterschiedlichen Handlungsbereichen Sozialer Arbeit zeigen kann. Erstens in einem Bewusstsein und Handeln, dass die menschliche Verflochtenheit mit natürlichen und technischen Ökologien in den Blick nimmt und Speziesismus vermeidet, ohne die besondere Verantwortung der Spezies Mensch zu verschleiern und Ungleichheiten innerhalb ihrer zu negieren. Zweitens indem auch in der Praxis Dualismen immer wieder in Frage gestellt, verflüssigt und dekonstruiert werden und drittens die „herrschaftlichen“ Ansprüche des Menschen gegenüber der inneren und äußeren Natur immer wieder kritisch in Frage gestellt werden.
6 Spekulatives Fabulieren, Utopie und Soziale Arbeit
„I am a creature of the mud, not the sky.”
(Haraway, 2008, S. 3)
Zum Abschluss dieses Beitrags möchte ich noch auf die Bedeutung des Geschichtenerzählens, insbesondere bei Donna Haraway eingehen. Ein Konzept, dass mir allgemein aber auch für sie Soziale Arbeit interessant erscheint. Die gegenwärtige, durch aktuelle und andauernde Krisen bestimmte Welt kennt kaum noch konkrete Geschichten, früher sprach man vielleicht von konkreten Utopien, wie ein Leben jenseits von Zerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung von Lebewesen und der unbelebten Natur aussehen könnte. Die „Versöhnung mit der Natur“, die gleichzeitig eine Aufhebung der Herrschaft des Menschen über seine innere und über die äußere Natur implizierte, war in der älteren kritischen Theorie, vor allem bei Theodor Adorno aber auch bei Herbert Marcuse durchaus Thema (Hogh, 2021). Eine Relektüre wäre sinnvoll und, mit einigen Einschränkungen, den Anliegen posthumanistischer Denkbewegungen
durchaus verbunden. Philip Hogh konstatiert eine Rückkehr des von Horkheimer/Adorno thematisierten „Naturschreckens“ und entsprechenden sozialen Unsicherheiten im Rahmen des Anthropozäns (Hogh, 2021). Gegenwärtig kann man, wenn man Haraway gesellschaftstheoretisch liest, zwei Tendenzen beobachten, gegen die sich ihr Denken und ihre Anliegen für praktisches Handeln richten. Einerseits
der geradezu lächerliche Glaube an technischen Lösungen, ob nun säkularer oder religiöser Art: Eine Technik wird auftauchen, um ihre schlimmen, aber sehr schlauen Kinder zu retten; oder, was auf dasselbe hinausläuft: Gott wird kommen, um sein ungehorsamen, aber hoffnungsvollen Kinder zu retten. (Haraway,
2018, S. 12)
Wobei festzuhalten ist, dass Haraway keineswegs technikfeindlich ist und aus ihrer Sicht technische Projekte „wichtiges dazu beitragen [können], unruhig zu bleiben und produktive, eigensinnige Verwandtschaften (oddkin) einzugehen“ (Haraway, 2018, S. 12). Utopien haben sich gegenwärtig, so scheint es vor allem auf technooptimistische reduziert. Soziale Utopien, wie etwa die große Erzählung des Marxismus, werden heute kaum noch breit rezipiert.
Haraway macht aber auch eine gegenteilige Tendenz aus, die dystopisch bestimmt ist und gegen die sich sowohl ihr Denken als auch entsprechende Handlungsaufforderungen richten: „Das Spiel ist vorbei, es ist zu spät. Es ist sinnlos zu versuchen, irgendwas besser zu machen oder zumindest einander wirksam zu vertrauen, um für eine wiederauflebende Welt zu arbeiten und zu spielen.“ (Haraway, 2018, S. 12) Wenn diese Position angesichts der aktuellen Weltlage auch nachvollziehbar ist, trennt nur ein schmaler Grat „die Anerkennung des Ausmaßes und des Ernstes dieser Probleme von der Kapitulation vor einem abstrakten Futurismus mit seinen Gefühlen erhabener Verzweiflung und seiner Politik ebenso erhabener Indifferenz.“ (Haraway, 2018, S. 13) Was nun ihren eigenen Vorschlag betrifft geht es darum „unruhig zu bleiben“ und dazu
müssen wir uns auf eigensinnige Art verwandt machen. Das meint, das wir einander in unerwarteten Kollaborationen und Kombinationen, in aktiven Kompostierungen brauchen. Wir werden miteinander oder wir werden gar nicht. (Haraway, 2018, S. 13)
Damit sind wir bei der Praxis des become-with each other, auf das wir im Rahmen der Auseinandersetzung mit einer posthumanistischen Ethik bereits zu sprechen kamen, angelangt. Haraway bezeichnet dies mit dem Begriff materieller Semiotik,
diese „findet stets situiert, an einem bestimmten Ort, wo und nicht irgendwo statt, sie ist verwoben und weltlich.“ (Haraway, 2018, S. 13) „Haraways bevorzugte Taktik besteht darin, Geschichten zu erzählen, die Mut machen und nicht lähmen; Geschichten, die Neugierde wecken und – wie partial sie auch sein mögen – Transformationspotenziale aufzeigen.“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 143) Es geht, in eine andere Theoriesprache übersetzt, um konkrete, materielle und verschränkte Praxen des miteinander Werdens, um Geschichten die sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Akteur*innen, wie Tiere, Pflanzen, Mikroben, anorganische Materie aber auch Artefakte und technische Apparate in einem gemeinsamen miteinander Werden und Befähigen verbindet. Eine solche Geschichte erzählt Haraway unter dem Titel „Camiles Geschichten“ am Ende ihres Buches „Unruhig bleiben“ (Hoppe & Lemke, 2021, S. 187–229).
Worin liegen nun Anschlusspunkte für Theorie und Praxis Sozialer Arbeit, wenn man diesen Zugang von Donna Haraway betrachtet? Was Haraway immer wieder betont, ist die Erfindung neuer Geschichten, anderer Geschichten. Worum es mir in Anschluss an Haraway geht und was meine Sympathien weckt, ist das konstruierende, tastende, verschränkende, weltliche und alltägliche Denken und Handeln, dass ihr Zugang eines spekulativen Fabulierens vermittelt. Wäre es nicht sinnvoll im Alltag in alltäglichen, situierten und konkreten Praxen auch der Sozialen Arbeit neue Geschichten des Mit-Werdens zu erzählen und neues zu erproben? Geschichten und Praxen, die menschliche und nicht menschliche Akteur*innen und Aktanten verschränken diesseits von technikfeindlichen und technikoptimistischen Atmosphären und ebenso naiver, harmonisierender Natursehnsüchte und der Ausblendung natürlicher Umwelten in der Sozialen Arbeit andererseits.
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Autor
Alexander Brunner, Department Soziales – FH Campus Wien, alexander.brunner@fh-campuswien.ac.at