Wenn von Missbrauch im Kontext der Invalidenversicherung (IV) oder anderer Zweige des Systems sozialer Sicherung in der Schweiz gesprochen wird, dann verbindet man damit – beeinflusst durch die vorherrschenden politischen und medialen Diskurse – in erster Linie durch Klientinnen und Klienten rechtswidrig bezogene oder erschlichene Leistungen. Im Zentrum der Debatten steht dementsprechend der Versicherungsmissbrauch in einem rechtlichen Sinne. Breite mediale Rezeption und beachtliche Erfolge feierte eine im Umfeld der 5. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) von Nationalrat Blocher 2003 losgetretene Diskussion zur «Scheininvalidität» (APS 2003, S. 229), die in eine parlamentarische Motion der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei (SVP) mündete (Amtl. Bull. NR 2003.3 Beilagen, S. 595f.). Das aktuelle sozialstaatliche Paradigma der Aktivierung ist einem Diskurs, der auf die Verfehlungen der Betroffenen zielt, zuträglich: Einerseits wird auf die Eigenverantwortung der Klientinnen und Klienten abgestellt. Andererseits geht die Tendenz hin zu Leistungs- kürzungen sowie kontrollierenden und disziplinierenden Massnahmen.
Zunächst führt ein kurzer historischer Abriss zur Entstehung der IV zum Thema hin. Im darauffolgenden Abschnitt werden Missbrauchsdebatten, die noch vor der Einführung der IV geführt wurden, dargestellt. Die Missbrauchsdebatten nach der Implementierung der IV1960 werden in drei Phasen beleuchtet – 1960er und frühe 1970er Jahre, 1970er Jahre, zuletzt 1980er und 1990er Jahre-bevor in den Schlussfolgerungen die Resultate mit einem Blick auf die heutigen Verhältnisse zusammengefügt werden sollen.
Author(s): Alan Canonica
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