[Articles] Missbrauch und Reform. Dimensionen und Funktionen der Missbrauchsdebatten in der schweizerischen Invalidenversicherung aus historischer Perspektive.

Wenn von Missbrauch im Kontext der Invalidenversicherung (IV) oder anderer Zweige des Systems sozialer Sicherung in der Schweiz gesprochen wird, dann verbindet man damit – beeinflusst durch die vorherrschenden politischen und medialen Diskurse – in erster Linie durch Klientinnen und Klienten rechtswidrig bezogene oder erschlichene Leistungen. Im Zentrum der Debatten steht dementsprechend der Versicherungsmissbrauch in einem rechtlichen Sinne. Breite mediale Rezeption und beachtliche Erfolge feierte eine im Umfeld der 5. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) von Nationalrat Blocher 2003 losgetretene Diskussion zur «Scheininvalidität» (APS 2003, S. 229), die in eine parlamentarische Motion der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei (SVP) mündete (Amtl. Bull. NR 2003.3 Beilagen, S. 595f.). Das aktuelle sozialstaatliche Paradigma der Aktivierung ist einem Diskurs, der auf die Verfehlungen der Betroffenen zielt, zuträglich: Einerseits wird auf die Eigenverantwortung der Klientinnen und Klienten abgestellt. Andererseits geht die Tendenz hin zu Leistungs- kürzungen sowie kontrollierenden und disziplinierenden Massnahmen.

Zunächst führt ein kurzer historischer Abriss zur Entstehung der IV zum Thema hin. Im darauffolgenden Abschnitt werden Missbrauchsdebatten, die noch vor der Einführung der IV geführt wurden, dargestellt. Die Missbrauchsdebatten nach der Implementierung der IV1960 werden in drei Phasen beleuchtet – 1960er und frühe 1970er Jahre, 1970er Jahre, zuletzt 1980er und 1990er Jahre-bevor in den Schlussfolgerungen die Resultate mit einem Blick auf die heutigen Verhältnisse zusammengefügt werden sollen.

Author(s): Alan Canonica

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[Notes] Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton St. Gallen. Ein kommunaler Vergleich von Angebot und Finanzierung.

Die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit entwickelte sich in den letzten Jahren zunehmend zum Kernbereich einer ganzheitlichen und zukunftsgerichteten Familienpolitik. Dabei spielen Einrichtungen zur familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung eine wichtige Rolle. Sie gewährleisten eine qualitativ hochstehende Bildung und Erziehung von (Klein-)Kindern und ermöglichen gleichzeitig eine Erwerbsbeteiligung der Frauen. Familien mit geringem Einkommen erhalten zudem die Chance, ihr Auskommen eigenständig zu erwirtschaften. Nebst der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit sind im aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurs weitere Zielsetzungen mit der Förderung der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung verbunden (EKFF, 2008).

Insgesamt zeigen diverse empirische Studien, dass die qualifizierte Betreuung von Kindern in geeigneten Tagesstrukturen in mehrfacher Hinsicht einen positiven gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen erzielt (Müller Kucera & Bauer, 2000). Nicht zuletzt deshalb wurden in den letzten Jahren von Bund, Kantonen und Gemeinden vermehrt Anstrengungen zur Schaffung von Betreuungsplätzen unternommen. Zusätzlich empfiehlt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren, eine regelmässige Erhebung des Betreuungsangebots in den Gemeinden (SODK 2011). Eine Analyse der Informationsplattform «Vereinbarkeit Beruf und Familie: Massnahmen der Kantone und Gemeinden» zeigt, dass die Datenlage von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich ist (INFRAS, 2010). Während zum Beispiel in einigen Kantonen wie Zug, Zürich oder Basel-Stadt mit dem Betreuungsindex (INFRAS, 2004; INFRAS, 2009; INFRAS, 2011) detaillierte Angebotsdaten für die einzelnen Gemeinden vorliegen, fehlt es in anderen Kantonen an vergleichbarem Zahlenmaterial. Nun wurde auch erstmals für den Kanton St. Gallen eine umfassende Erhebung des Betreuungsangebots sowie des finanziellen Engagements der Gemeinden durchgeführt (Simon & Zogg, 2011).

Author(s): Silvia Simon, Claudia Zogg

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[Articles] Innovation in der Sozialen Arbeit. ein altbekanntes Phänomen und ein neues Forschungsgebiet

War Soziale Arbeit einstmals eine Innovation, so kann sie heute – mehr als 100 Jahre nach ihrer Etablierung – nicht mehr als solche gelten. Innovation im Sinne der Entwicklung von neuen Methoden, Konzepten sowie Handlungs- und Organisationsformen ist aber ein Aspekt, welcher der Profession immanent bleibt; denn die Ausrichtung der Sozialen Arbeit an den sich wandelnden sozialen Problemen impliziert wiederkehrend die Fragen, wie bereits bekannte oder neu identifizierte Handlungsprobleme im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft besser bearbeitet werden können und wie sich Wissen für die Praxis nutzen lässt. Obwohl seit einigen Jahren in der Praxis der Sozialen Arbeit zunehmend Projekte und Initiativen als innovativ bezeichnet werden, bleibt die kognitive, wissenschaftliche Basis dieses Attributs unklar. Mit Innovationen scheinen sich vage Hoffnungen auf Effizienzsteigerung zu verbinden.Um implizite Innovationsverständnisse zu rekonstruieren bzw. explizite Konzeptionen zu überprüfen und zu entwickeln, ist Innovationsforschung auch im Bereich der Sozialen Arbeit erforderlich. Aufgrund der spezifischen Strukturmerkmale Sozialer Arbeit (sozialstaatliche Verfasstheit, strukturelleKopplung an die Politik, fehlende «Kundensouveränität», Co-Produktion der Leistungen, limitierte Standardisierbarkeit usw.) kann nicht davon ausgegangen werden, dass vorliegende Innovationsstudien aus anderen Bereichen direkte Folgerungen für die Soziale Arbeit zulassen.

In diesem Beitrag wird beleuchtet, was Innovation als Forschungsgegenstand der Sozialen Arbeit ausmacht bzw. ausmachen könnte. Dazu wird die Innovationsthematik zunächst aus gesellschaftstheoretischer Perspektive problematisiert. Dann werden aus multidisziplinärer Perspektive Gegenstand und Methodologie der vorliegenden Innovationsforschung erörtert, bevor ein Zugang zur Innovationsforschung aus Perspektive der Sozialen Arbeit eröffnet wird. Anschliessend werden in knapper Form Ergebnisse der bisherigen Innovationsforschung dargestellt, insofern sie für die Soziale Arbeit hinlänglich relevant erscheinen. Überlegungen zur Bedeutung der (inter)disziplinären Perspektive für die Innovationsforschung sowie für die Soziale Arbeit beschliessen den Beitrag.

Author(s): Matthias Hüttemann, Anne Parpan-Blaser

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[Articles] Soziale Arbeit und vernetze Gewaltprävention. Diskussion anlässlich einer Zürcher Gemeindebefragung.

Die Ziele von Sozialer Arbeit weisen vielfältige Berührungspunkte mit denen der Kriminalprävention auf. Bei Berufsfeldern der Sozialen Arbeit im forensischen Bereich, wie Straf- und Massnahmenvollzug, Bewährungshilfe oder Jugendanwaltschaften, steht eine rückfallpräventive Orientierung im Sinne indizierter Prävention im Vordergrund. In Bereichen wie offene Jugendarbeit, Jugendhilfe oder Gemeinwesenarbeit zählt Kriminalprävention nicht zu den primären Aufgaben, gleichwohl können genuin-präventive Ziele verfolgt werden – universeller Natur zur Verhinderung delinquenten Verhaltens bei bislang unauffälligen Mitgliedern der Gemeinschaft oder selektiver Natur bei Risikogruppen. Gerade letztgenannte Felder der Sozialen Arbeit sind in vielen schweizerischen Gemeinden an vernetzten Präventionsaktivitäten beteiligt, deren Bedeutung jedoch kontrovers diskutiert wird. Fachleute schätzen auf der einen Seite die gegenseitige Bereicherung und Ergänzung durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung, auf der anderen Seite werden widersprüchliche Rollen und Aufgaben kritisiert. Der vorliegende Artikel thematisiert die unterschiedlichen Betrachtungen zu diesem Arbeits- und Spannungsfeld auf der Basis einer von den Autoren durchgeführten Studie zu Bedarfslagen von Gewaltprävention bei Gemeindepräsidien und Fachleuten in Zürcher Gemeinden. Ausgehend von den Erkenntnissen dieser Erhebung ist es das Ziel dieses Beitrags, die spezifischen Herausforderungen der Sozialen Arbeit in kommunaler Kriminalprävention in einem schweizerischen Kontext zu diskutieren. Die Analyse der Problemwahrnehmung, der Bedarfslage und der Umsetzung von Präventionsprojekten dienen hierfür als empirische Basis. Abschliessend wird auf Möglichkeiten und Grenzen der vernetzten Gewaltprävention allgemein eingegangen.

Author(s): Patrik Manzoni, Samuel Keller

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[Articles] Familien in Multiproblemlagen. Hintergründe, Merkmale und Hilfeleistungen.

Die geringe Rezeption des aus dem englischen Sprachraum stammenden Konzeptes der «Multiproblemfamilie» im deutschsprachigen Raum ist aus internationaler Perspektive auffallend. In dem anschließenden Beitrag werden vor dem Hintergrund der komplexen Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen und psychosozialen Problemlagen von Familien, sowie der spezifischen Schwierigkeiten, die diese Familien innerhalb des Kinder- und Jugendhilfesystems häufig aufweisen, internationaleForschungsergebnisse und praktische Erfahrungen der niederländischen Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt. Aus ihnen können durchaus interessante Erkenntnisse, Perspektiven und Inspirationen für die Kinder- und Jugendhilfe gewonnen werden. Ebenfalls wird der aktuelle Stand der fachlichen Methodendiskussion in den Niederlanden vorgestellt.

Author(s): Tim Tausenfreund, Jana Knot-Dicksheit, Erik J. Knorth

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[Articles] Rekonstruktion biografischer Verläufe von Verdingkindern. Lebenslang eine Suche nach “Normalität”.

Dieser Aufsatz gibt Inhalt und Befunde einer qualitativen Studie über die biografische Erfahrung von Menschen wieder, die als Heranwachsende in der Schweiz der 1930er- bis 1950er-Jahre «verdingt» wurden. Der Begriff der «Verdingung» bezeichnet die Fremdplatzierung von Kindern, die für ihre Arbeitsleistung Kost und Logis erhielten, während die Pflegefamilie für die Aufnahme des fremden Kindes finanziell entschädigt wurde. Welche Bedeutung die Verdingung für die Betroffenen hatte und wie sie ihr ganzes Leben geprägt hat, war die zentrale Frage der nachfolgend in zusammen- gefasster Form vorgestellten Studie. Darin wurden fünf Lebensgeschichten kontrastiv verglichen und analysiert, die in narrativen Interviews erfasst und mit biografischen Methoden rekonstruiert wurden. Die Studie zeigt, wie Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend verdingt wurden, zeitlebens auf der Suche nach «Normalität» waren – nach elementarer sozialer Achtung, Zugehörigkeit und emotionaler Sicherheit. Das Selbstverständliche des gelebten Alltags, das unter normalen Umständen in der primären Sozialisation vermittelt wird, blieb diesen Kindern vorenthalten und liess sie lebenslang danach suchen.

Author(s): Daniela Freisler-Mühlemann

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[Notes] Soziale Arbeit in Gesellschaft. Ein Tagungsbericht der Summer School 2010 (conference report)

Soziale Arbeit in Gesellschaft war das diesjährige Thema der Sommer- School der Hochschule für Soziale Arbeit, FHNW in Kooperation mit der Philipps-Universität Marburg, Institut für Erziehungswissenschaft und der Katholischen Hochschule für Soziale Arbeit Mainz. Wie jedes Jahr fanden die interessanten Vorträge und Workshops in den schönen und kühlen Räumlichkeiten der Basler Universität statt. Draussen rundeten Sonnenschein, warme Temperaturen und der betörende Duft nach Lindenblüten auf dem Petersplatz das Gefühl studentischer Privilegiertheit ab. Das kulturelle und soziale Kapital der Studierenden wurde durch die Bildung und den Austausch mit Dozierenden und unter Studierenden weiter erhöht.

Author(s): Fabienne Rotzetter

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[Articles] Nutzung und Qualität von Tagesschulen und Schülerclubs in der Stadt Zürich. Erste Ergebnisse aus einer Elternbefragung.

Tagesschulen und Tagesstrukturen stehen derzeit sowohl in der Bildungspolitik als auch im Fachdiskurs zur Ganztagsbildung im Fokus des Interesses. Die Frage nach ihrer Qualität rückt vermehrt ins Zentrum und erweitert den bislang einseitig geführten Diskurs rund um den quantitativen Ausbau von Tagesschulen und -strukturen. Wenngleich das Thema Tagesschulen und Tagesstrukturen nicht neu ist, liegen hierzu – abgesehen von der StEG-Studie (vgl. Fischer/Kuhn/Klieme 2009) in Deutschland und der EduCare-Studie (vgl. Schüpbach 2010) in der Schweiz – kaum empirischeErkenntnisse zu Wirkung und Qualität solcher Angebote vor. Die in diesem Beitrag präsentierte Elternbefragung aus der Studie Evaluation von Tagesschulen und Schülerclubs in der Stadt Zürich schliesst an den genannten Qualitätsdiskurs an. In einem Vergleich von gebundenen und ungebundenen Modellen zeigt sich, dass die Eltern beider Tagesschulmodelle die Qualität der Angebote mehrheitlich positiv einschätzen, wobei die Eltern des gebundenen Modells (Tagesschule) verschiedene Qualitätsmerkmale der beurteilten Einrichtung positiver einschätzen als die Eltern des additiven Modells, in der Stadt Zürich als «Schülerclub» bezeichnet.

Author(s): Esther Forrer Kasteel, Patricia Schuler

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[Articles] Zwangskontext und “Zwangsbeglückung” in der gesetzlichen Sozialen Arbeit. Phänomen und rechtliche Aspekte.

Soziale Arbeit im Zwangskontext hat es historisch betrachtet schon immer gegeben (vgl. Hammerschmidt 2010, S. 849ff.). In den letzten Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende hat sich Soziale Arbeit besonders dem Paradigma der Freiwilligkeit verschrieben. Dabei hat sie die Arbeit in einem Zwangskontext teilweise implizit als nicht im Kern sozialarbeiterisch abgetan und kaum beachtet. Ebenso wenig beschäftigt hat es sie weitgehend, dass diese Form Sozialer Arbeit in einem dialektischen Bezug zur sogenannten freiwilligen Arbeit steht. Diese Tendenzen sind durchaus auch heute noch erkennbar.

Die Thematisierung von Pflichtklientschaft im Strafvollzug und im Kindes- und Erwachsenenschutzbereich um die Jahrtausendwende im deutschsprachigen Raum hat dazu geführt, dass die Sensibilität gegenüber der Sozialen Arbeit im Zwangskontext zugenommen hat (Gumpinger 2001a; Kähler 2005). Hintergrund dieser erst späten (Wieder-)Entdeckung des Feldes dürfte mitunter die Skepsis gegenüber Juristen, die seit den Dreissigerjahren bis Ende der Fünfzigerjahre vielerorts in den Ausbildungen für Soziale Arbeit und an Führungsstellen im Sozialbereich tätig waren (Kruse 2007, S. 188ff.; Burkhardt Modena 1988, S. 105), und damit implizit gegenüber den Rechtswissenschaften sein.

Author(s): Daniel Rosch

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